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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Augen, und nicht umsonst nennt Ines Rodde ihn einen heimlichen Schleicher. So geht es, Leo Zink, der Faunus ficarius, ist noch immer davongekommen, aber den sauberen, gescheiten Spengler hat's früh erwischt. Übrigens sei ruhig und spare dir die Eifersucht auf den. Es ist ein langweiliger, banaler Fall, bei dem nicht das geringste herauskommt. Das ist kein Pythone, an dem wir sensationelle Taten vollbringen. Ein bißchen heller, am Geistigen beteiligter mag er geworden sein durch den Empfang und würde vielleicht nicht so gern das Tagebuch der Goncourts und den Abbé Galiani lesen, hätt' er nicht die Verbindung zum Höheren, hätt' er den geheimen Denkzettel nicht. Psychologie, mein Lieber. Krankheit, und nun gar anstößige, diskrete, geheime Krankheit, schafft einen gewissen kritischen Gegensatz zur Welt, zum Lebensdurchschnitt, stimmt aufsässig und ironisch gegen die bürgerliche Ordnung und läßt ihren Mann Schutz suchen beim freien Geist, bei Büchern, beim Gedanken. Aber weiter ist es auch nichts mit Spengler. Die Zeit, die ihm zum Lesen, Zitieren, Rotweintrinken und Faulenzen noch gegeben ist, haben nicht wir ihm verkauft, es ist nichts weniger als genialisierte Zeit. Ein angebrannter und matter, halb interessanter Weltmann, sonst {340} nichts. Er kröpelt so dahin an Leber, Niere, Magen, Herz und Darm, wird eines Tages stockheiser oder taub und kratzt, ein skeptisches Scherzwort auf den Lippen, nach einigen Jahren ruhmlos ab – was weiter? Daran ist nichts gelegen, das war nie eine Illumination, Erhöhung und Begeisterung, denn es war nicht gehirnlich, nicht zerebral, verstehst du, – unsere Kleinen kümmerten sich da ums Edle, Obere nicht, es hatte offenbar keine Verführung für sie, es kam nicht zur Metastasierung ins Metaphysische, Metavenerische, Metainfektiose …‹
    Ich
(mit Haß): ›Wie lange werde ich sitzen und frieren und euerem unerträglichen Gefasel zuhören müssen?‹
    Er:
›Gefasel? Zuhören müssen? Du machst da einen drollichten Gassenhauer auf. Meim Bedunken nach hörst du sehr aufmerksam zu und bist nur ungeduldig, mehr und alles zu wissen. Eben noch hast du dich angelegentlich nach deinem Freunde Spengler zu München erkundigt, und hätt' ich dir nicht das Wort abgeschnitten, so fragtest du mich gierig die ganze Zeit nach der Hellen aus und ihrer Spelunck. Spiele, bitte, nicht den Belästigten! Ich habe auch mein Selbstgefühl und weiß, daß ich kein ungebetener Gast bin. Kurzum, die Metaspirochaetose, das ist der meningeale Prozeß, und ich versichere dich, es ist gerade, als hätten gewisse von den Kleinen eine Passion fürs Obere, eine besondere Vorliebe für die Kopfregion, die Meningen, die Dura mater, das Hirnzelt und die Pia, die das zarte Parenchym im Inneren schützen, und schwärmten vom Augenblick der ersten Allgemeindurchseuchung leidenschaftlich dorthin.‹
    Ich:
›Es steht euch, wie ihr sprecht. Der Ludewig scheint medicinam studiert zu haben.‹
    Er:
›Nicht mehr, als du theologiam, will sagen: fragmentarisch und spezialistisch. Willst du leugnen, daß du die beste der Künste und Wissenschaften auch nur als Spezialist und Liebhaber studiert hast? Dein Interesse galt – mir. Ich bin dir sehr {341} verbunden. Wie sollte aber ich, Esmeraldas Freund und Zuhalt, als den du mich vor dir siehst, nicht ein besondres Interesse haben an dem betreffenden, dem anzüglichen, dem nächstliegenden Gebiet der Medizin und spezialistisch darin zu Hause sein? Tatsächlich verfolge ich auf diesem Gebiet beständig mit größter Aufmerksamkeit die letzten Forschungsergebnisse. Item, einige doctores wollen wahrhaben und schwören Stein und Bein, es müsse Hirnspezialisten unter den Kleinen geben, Liebhaber der zerebralen Sphäre, kurz, ein virus nerveux. Sie wohnen aber in der bekannten Halde. Es ist umgekehrt. Es ist das Gehirn, das nach ihrem Besuche lüstern ist und ihm erwartungsvoll entgegensieht, wie du dem meinen; das sie zu sich einlädt, sie an sich zieht, als ob es sie gar nicht erwarten könnte. Weißt du noch? Der Philosoph, De anima: ‹Die Handlungen der Handelnden geschehen an den vorher disponierten Leidenden.› Da siehst du's, auf die Disponiertheit, die Bereitschaft, die Einladung kommt alles an. Daß einige Menschen zur Vollbringung von Hexentaten mehr beanlagt sind, als die anderen, und wir sie wohl zu ersehen wissen, deß gedenken ja schon die würdigen Autoren des Malleus.‹
    Ich:
›Verleumder, ich habe keine Kundschaft mit dir. Ich habe dich nicht

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