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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Stundglas gestellt ist, der Sand immerhin zu rinnen begonnen hat, darüber wollt ich mich gern mit dir, mein Lieber, verständigen.‹
    Ich
(recht höhnisch): ›Außerordentlich Dürerisch liebt ihr's, – erst ‹Wie wird's mich nach der Sonne frieren› und nun die Sanduhr der Melencholia. Kommt auch das stimmige Zahlenquadrat? Bin auf alles gefaßt und gewöhne mich an alles. Gewöhn mich an euere Unverschämtheit, daß ihr mich du nennt und ‹mein Lieber›, was mir allerdings besonders zuwider. ‹Du› sag ich ja schließlich auch zu mir selbst, – was wahrscheinlich erklärt, daß ihr so sagt. Nach eurer Behauptung konversier ich mit dem schwartzen Kesperlin, – Kesperlin, das ist Kaspar, und so sind Kaspar und Samiel ein und derselbe.‹
    Er:
›Fängst du wieder an?‹
    Ich:
›Samiel. Es ist zum Lachen! Wo ist denn dein c-moll-Fortissimo aus Streichertremoli, Holz und Posaunen, das, ingeniöser Kinderschreck für das romantische Publikum, aus dem fis-moll der Schlucht hervortritt, wie du aus deinem Felsen? Mich wundert, daß ich's nicht höre!‹
    Er:
›Laß das gut sein. Wir haben auch viel löblicher Instrument, und du sollst sie schon hören. Werden dir schon aufspielen, wenn du erst reif bist, es zu vernehmen. Ist alles eine Sache der Reife und der lieben Zeit. Eben darüber möcht ich ja mit dir reden. Aber Samiel – die Form ist dumm. Ich bin wahrlich fürs Volkstümliche, aber Samiel, zu dumm, das hat {333} Johann Ballhorn von Lübeck verbessert. Sammael heißt es. Und was heißt Sammael?‹
    Ich
(schweige vertrotzt).
    Er:
›Weistu was so schweig. Ich habe was übrig für die Diskretion, mit der du die Verdeutschung mir überläßt. ‹Engel des Giftes› heißt es.‹
    Ich
(zwischen den Zähnen, die nicht recht wollten aufeinander bleiben): ›Ja, entschieden, so seht ihr aus! Ganz wie ein Engel, genau! Wißt ihr, wie ihr ausseht? Ordinär ist gar nicht das Wort dafür. Wie ein frecher Abschaum, ein Mannsluder, ein blutiger Ludewig seht ihr aus, das ist euer Aussehen, in dem ihrs für gut befunden habt, mich zu besuchen, – und keines Engels!‹
    Er
(an sich herunterblickend mit gespreizten Armen): ›Wie denn, wie denn? Wie seh ich denn aus? Nein, es ist wirklich gut, daß du mich fragst, ob ich weiß, wie ich aussehe, denn wahrhaftig, ich weiß es nicht. Oder ich wußte es nicht, du bringst es mir erst zur Bemerkung. Sei versichert, ich schenke meinem Äußeren gar keine Aufmerksamkeit, überlasse es sozusagen sich selbst. Das ist reiner Zufall, wie ich aussehe, oder vielmehr, es macht sich so, es stellt sich so je nach den Umständen her, ohne daß ich auch nur acht darauf gebe. Anpassung, Mimicry, du kennst das ja, Mumschanz und Vexierspiel der Mutter Natur, die immer die Zunge im Mundwinkel hat. Aber du wirst doch, mein Lieber, die Anpassung, von der ich so viel und so wenig weiß, wie der Blattschmetterling, nicht auf dich beziehen und sie mir für übel halten! Du mußt zugeben, daß sie nach der anderen Seite hin ihr Passendes hat, – nach der Seite, wo du dir's geholt hast, und zwar gewarnt, nach der Seite von deinem hübschen Lied mit dem Buchstabensymbol, – oh, wirklich sinnreich gemacht und beinah schon wie unter Inspiration:
    {334} ‹Als du mir einst gegeben
    zur Nacht den kühlen Trank,
    vergiftetest du mein Leben …›
    ausgezeichnet.
    ‹Es hat sich an der Wunde
    die Schlange festgesaugt …›
    Wirklich begabt. Das ist es ja, was wir bei Zeiten erkannt, und weshalb wir von frühan ein Auge auf dich gehabt haben, – wir sahen, daß dein Fall ganz ausgesprochen der Mühe wert, daß es ein Fall war von günstigster Lagerung, aus dem sich, nur ein bißchen von unserem Feuer darunter gebracht, nur ein bißchen Anheizung, Beschwingung und Beschwipsung vorausgesetzt, etwas Glänzendes würde machen lassen. Hat nicht Bismarck sowas gesagt, wie daß der Deutsche eine halbe Flasche Champagner braucht, um auf seine natürliche Höhe zu kommen? Ist mir doch ganz, als ob er so was gesagt hätte. Und das zu Recht. Begabt aber lahm ist der Deutsche, – begabt genug, sich an seiner Lahmheit zu ärgern und sie auf Teufel komm raus durch Illumination zu überkommen. Du, mein Lieber, hast wohl gewußt, was dir fehlte, und bist recht in der Art geblieben, als du deine Reise tatest und dir, salva venia, die lieben Franzosen holtest.‹
    ›Schweig!‹
    ›Schweig? Siehe da, das ist ein Fortschritt auf deiner Seite. Du wirst warm. Endlich einmal lässest du die pluralische

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