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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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religiosus. Was aber zum Teufel will, das läßt sich nicht aufhalten noch ihm wehren, und war nur ein kleiner Schritt von der Gottesfakultät hinüber gen Leipzig und zu der Musik, daß ich mich nur und allein noch abgab mit figuris, characteribus, formis coniurationum und wie solche Namen der Beschwörung und Zauberei genannt sein mögen.
    Item, mein verzweifelt Herz hat mirs verscherzt. Hatte wohl einen guten geschwinden Kopf und Gaben, mir von oben her gnädig mitgeteilt, die ich in Ehrsamkeit und bescheidentlich hätte nutzen können, fühlte aber nur allzu wohl: Es ist die Zeit, wo auf fromme, nüchterne Weis, mit rechten Dingen, kein Werk mehr zu tun und die Kunst unmöglich geworden ist ohne Teufelshilf und höllisch Feuer unter dem Kessel … Ja und ja, liebe Gesellen, daß die Kunst stockt und zu schwer worden ist und sich selbsten verhöhnt, daß alles zu schwer worden ist und Gottes armer Mensch nicht mehr aus und ein weiß in seiner Not, das ist wohl Schuld der Zeit. Lädt aber einer den Teufel zu Gast, um drüber hinweg und zum Durchbruch zu kommen, der zeiht sein Seel und nimmt die Schuld der Zeit auf den eigenen Hals, daß er verdammt ist. Denn es heißt: Seid nüchtern und wachet! Das aber ist manches Sache nicht, sondern, statt klug zu sorgen, was vonnöten auf Erden, damit es dort besser werde, und besonnen dazu zu tun, daß unter den Menschen solche Ordnung sich herstelle, die dem schönen Werk wieder Lebensgrund und ein redlich Hineinpassen bereiten, läuft wohl der Mensch hinter die Schul und bricht aus in höllische Trunkenheit: so gibt er sein Seel daran und kommt auf den Schindwasen.
    Also, günstige liebe Brüder und Schwestern, hab ichs gehalten und ließ Nigromantia, carmina, incantatio, veneficium und {724} wie sonst Wörter und Namen genannt werden mögen, all mein Sach und Verlangen sein. Bin auch bald mit Jenem zusprach kommen, dem Wendenschimpf, dem Mannsluder, im welschen Saal, hab viel Gespräch mit ihm gehalten, und hat mir von der Hellen Qualität, Fundament und Substanz gar manches verkünden müssen. Hat mir auch Zeit verkauft, vierundzwanzig unabsehbare Jahr, und sich gegen mir versprochen und verlobt für diese Frist, auch mir Großes verheißen und viel Feuer unter den Kessel, daß ich fähig sein sollte zum Werk, obgleich es zu schwer worden und mein Kopf zu klug und spöttisch dafür, deß ohngeachtet. Nur, allerdings, Messerschmerzen sollte ich leiden dafür schon in der Zeit, gleichwie die kleine Seejunfrau sie litt in ihren Beinen, die war meine Schwester und süße Braut, mit Namen Hyphialta. Denn er führte sie mir zu Bette als mein Schlafweib, daß ich ihr anhub zu bulen und sie immer lieber gewann, ob sie nun mit dem Fischschwanz kam, oder mit Beinen. Öfters wohl kam sie im Schwanz, weil nämlich die Schmerzen, die sie wie von Messern litt in den Beinen, ihr die Lust überwogen, und ich hatte viel Sinn dafür, wie ihr zarter Leib in den schuppigen Schwanz so lieblich überging. Aber höher war mein Entzücken doch an der reinen Menschengestalt, und so hatte ich meines Teils größere Lust, wenn sie sich zu mir gesellte mit Beinen.«
    Eine Unruhe geschah nach diesen Worten im Auditorium und ein Aufbruch. Die alten Herrschaften Schlaginhaufen nämlich erhoben sich von unserem Tisch, und, ohne nach rechts oder links zu blicken, auf leisen Sohlen, führte der Gatte die Gattin am Ellbogen zwischen den Sitzen hindurch und zur Tür hinaus. Es vergingen auch nicht zwei Minuten, bis man auf dem Hof mit viel Lärmen und Rattern den Motor ihres Autos anspringen hörte und verstand, sie fuhren davon.
    Dies war für manchen bedenklich, denn so ging man des Wagens verlustig, mit dem viele gehofft hatten, wieder zum {725} Bahnhof zurücktransportiert zu werden. Es war aber keine Neigung bemerklich unter den Gästen, es jenen nachzutun. Man saß wie gebannt, und als es draußen still geworden von der Wegfahrt, ließ wieder Zur Höhe sein peremptorisches »Schön! O freilich wohl, es ist schön!« vernehmen.
    Auch ich wollte eben den Mund auftun und den Freund ersuchen, es mit der Einleitung genug sein zu lassen und uns nun aus seinem Werke zu spielen, als er, unberührt von dem Zwischenfall, in seiner Ansprache weiterging:
    »Darauf ist Hyphialta schwangeren Leibs geworden und hat mir ein Söhnchen gezehlt, an dem meine ganze Seele hing, ein heilig Knäbchen, holdselig außer aller Gewohnheit und wie von weiter und alter Landsart hero. Da aber das Kind von Fleisch und Blut und es

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