Doktor im Glück

wurden wir ständig allein gelassen, und Dr. Wattle muß es schrecklich hart angekommen sein, stundenlang in seinem kalten Sprechzimmer herumzusitzen.
    «Was soll dies alles, Petunia?» fragte ich sogleich. «Ich dachte, dir wäre es darum zu tun gewesen, diesem Ort so schnell wie möglich den Rücken zu kehren.»
    Sie nahm sich eine Zigarette aus der silbernen Kassette.
    «Gaston», sagte sie. «Ich habe nachgedacht.»
    Ich zückte das Tischfeuerzeug der Wattles.
    «Worüber?»
    «Daß dies die netteste Rolle ist, die ich je spielte.»
    «Du hast riesigen Erfolg gehabt, und ich bin dir sehr zu Dank verbunden. Aber nun fällt der Vorhang.»
    «Aber weißt du, warum ich solchen Erfolg hatte? Ich habe mein eigenes Ich gespielt. Ich habe meine Rolle hier gefühlt.»
    Sie wies auf die mittlere Brustbeinpartie.
    «Dies ist eine wesentliche Voraussetzung jeder hochrangigen schauspielerischen Darbietung, habe ich mir sagen lassen.»
    Petunia ließ sich auf das Sofa sinken.
    «Erinnerst du dich, Gaston, was du mir letztesmal, als wir zusammen aus waren, im Nachtklub sagtest?»
    Sich dessen zu erinnern, was die Männer ihnen in Nachtklubs sagen, ist wieder einmal ein leuchtender Beweis dafür, wie sehr es den Frauen an angeborenem Feingefühl mangelt.
    «Daß ich das liebste und süßeste Mädel bin, das dir je untergekommen, und wie sehr du wünschtest, auf immer in meinen Armen zu leben.»
    «Ach ja, richtig.»
    «Du hast vielleicht geglaubt, Gaston, daß ich deine Bemerkungen nicht ernst nähme?»
    «Natürlich hab ich das geglaubt.»
    Soweit ich mich erinnern konnte, hatte sie in jenem Augenblick jemandem einen Luftballon an den Schädel gebumst.
    «Schrecklich, wie ich meine Gefühle stets verbergen muß, Süßer. Immer müssen wir Schauspielerinnen zu allererst an unsere Karriere denken. Niemals können wir wie andere Frauen die Freuden des einfachen traulichen Heims genießen. Es ist eine herzzerreißende Tragödie.»
    «Du hast vollkommen recht», sagte ich rasch. «Es ist schon eine wundervolle Sache, dieses Aufgehen im Beruf. Du wirst es nie bedauern, wenn du einmal ein berühmter Star bist und halb London dir zu Füßen liegt.»
    «Ich werde nie ein berühmter Star sein So wie Monica Fairchild, um die sich jeder Theaterdirektor in London reißt. Es hat keinen Sinn, mich selbst zu belügen. Ich werde weiterhin Statistenrollen spielen und werde jahrein jahraus bei Mama wohnen, die paar Wochen ausgenommen, die ich auf Tournee in lausigen Pensionen verbringe.»
    «Aber geh! Du bist im Augenblick nur ein bißchen deprimiert. Möchte wetten, Sarah Bernhardt war dutzendmal genauso zumute.»
    «Als ich dich hier so sah», fuhr Petunia fort und streifte die Asche ihrer Zigarette auf das Bärenfell ab, «in deinem lieben kleinen Heim, in dieser süßen kleinen Stadt, da wurden mir die Augen geöffnet. Mein Spiel ist den Einsatz nicht wert. Ich möchte mich häuslich niederlassen.»
    «Aber das ist nicht mein liebes kleines Heim», widersprach ich ihr. «Es ist Dr. Wattles liebes kleines Heim. Und was die Stadt anbelangt, so kam ich her, um hier mein Leben zu beschließen, und nun möchte ich nicht einmal mehr für eine Nacht mit Frühstück den Fuß in sie setzen. Ein Mädel wie du würde hier überschnappen in weniger als —»
    Sie stand auf und stellte sich so knapp vor mich, daß ich die Äderchen in ihrer Bindehaut erkennen konnte.
    «In den letzten vierundzwanzig Stunden habe ich erkannt, wie wundervoll es ist, dein Weib zu sein —»
    «Hol's der Teufel! Du bist nicht mein —»
    «Du bist so süß, so bescheiden. So rechtschaffen, so aufrecht. So zärtlich, so rücksichtsvoll. Gaston, Liebling, ich habe beschlossen, deinen Antrag anzunehmen. Wir können im stillen in irgendeinem Standesamt heiraten —»
    «Verzeihung, wenn ich das Turteltaubenpärchen störe», kicherte Mama Wattle, die eben eintrat. «Ich wollte nur fragen, ob Ihre Frau nicht zum Abendessen ein gutes warmes Süppchen als Stärkung für die Fahrt haben möchte.»
    «Mrs. Wattle», sagte Petunia, sich an sie wendend, «ich fahre nicht. Ich muß bei meinem Gatten bleiben. Ich werde nach London telegraphieren und meinen Posten kündigen. Meine Mutter kann mir morgen meine Sachen nachsenden.»
    «Ich bin außer mir vor Freuden!» rief die gute alte Seele, indem sie uns umarmte. «Sag ich doch alleweil, eine Frau gehört an die Seite ihre Mannes, komme, was da kommen mag. Natürlich, Kinderchen, ihr könnt bei uns wohnen, solange ihr wollt. Ich gehe nur