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Doktor Proktor im Goldrausch

Doktor Proktor im Goldrausch

Titel: Doktor Proktor im Goldrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Gleichgewicht verlor und nach vorne kippte. Verzweifelt riss er die Arme in die Luft und bekam gerade noch den kleinen Zeiger zu fassen. Mit Mühe und Not konnte er sich festhalten. Aber als er nach unten schaute und sein Handy auf die Ameisenmenschen und Spielzeugautos zufallen sah, hatte er plötzlich gar keine Lust mehr, »Ho, ho!« zu rufen. Er wollte eigentlich auch gar nicht mehr wissen, wie viele Meter es bis nach unten waren, aber dummerweise hatte Lise ihm erzählt, dass es dreihundertzehn Fuß waren. Falls es dich interessiert, das sind ein bisschen weniger als hundert Meter.
    Bulles Finger, die sich um den kleinen Zeiger krallten, gaben langsam, aber sicher nach. Bulle war für seine winzige Größe zwar ungewöhnlich stark, aber mit dem Goldbarren im Rucksack und dem Schweiß an den Händen… tja, wie wird das wohl ausgehen?

Kapitel 16
    Eine Kuh, eine Luftspiegelung
und Das Große Verhör
    H allo?« , rief Petter in das Handy.
    Es klang, als ob heftiger Wind in Bulles Handy blasen würde. Dann tat es einen lauten Knall.
    »Bulle?«
    Am anderen Ende war es jetzt ganz still. Dann summte es nur noch.
    Missmutig steckte Petter sein Handy wieder ein und sah sich um. Aber seine Brillengläser beschlugen bei dem Regen so stark, dass er nicht viel sah. Also nahm er seine Brille ab und stellte fest, dass er noch immer auf einem verlassenen, regennassen Acker irgendwo in der britischen Pampa hockte. Eine einsamere Landschaft hatte er nicht mehr gesehen, seit er… ja, seit er heute im Morgengrauen zu Hause losgeflogen war.
    Der Anruf von Bulle, Lise und Doktor Proktor war mitten in der Nacht gekommen. Sie hatten ihm ausführliche Anweisungen durchgegeben, wie er zu fliegen hatte und dass er Bulle um Punkt drei Uhr an dem Stundenzeiger von Big Ben in London abholen sollte. Sie hatten gesagt, es sei extrem wichtig, und dann hatten sie noch etwas von Bruttonationalgoldreserven oder so was gefaselt, das war alles.
    Petter zog den Saum seiner Unterhose unter dem Hosenbund hervor – das einzige Kleidungsstück, das noch ein paar trockene Stellen hatte – und putzte damit die Brille. Danach setzte er sie wieder auf und blickte sich erneut um. Er sah jetzt zwar etwas mehr, aber das war auch nicht gerade aufbauender. Ein Hängegleiter, der genauso nass war wie er selbst und eine nicht weniger nasse Kuh, die träge vor sich hin kaute und aussah, als würde sie sich zu Tode langweilen. Dann war da noch eine Luftspiegelung, die sich auf ihn zubewegte. Sie sah aus wie ein Mädchen in einem roten Trainingsanzug, der seinem eigenen nicht unähnlich war. Die Luftspiegelung wurde nach und nach größer. Bis sie sich wohl für groß genug hielt und direkt vor Petter anhielt. Es war überhaupt eine ziemlich ungewöhnliche Luftspiegelung, denn sie begann plötzlich zu sprechen.
    »How do you do?«, sagte sie.
    Petter starrte sie an. Die Luftspiegelung sah aus wie ein Mädchen in seinem Alter. Sie hatte nasse, strähnige Haare und eine Brille mit den dicksten Gläsern, die er je gesehen hatte. Zumindest bei einem Mädchen.
    »Ai… ai …«, sagte Petter und dachte, Mann ist das verrückt, jetzt rede ich schon mit einer Luftspiegelung. »Aim Petter. Hu ar ju?«
    »I’m Petronella. Ist this your hangglider?«
    Petter kniff ein Auge zu und sah das Mädchen an, das Petronella hieß. Dann nickte er. Ja, das war sein Hängegleiter, sollte das heißen. »Jess. Ai sell dem.«
    »Really? I like hanggliders. And I’m in sales too. Old Hillman cars.« Die Luftspiegelung zeigte über den Acker.
    Die Nebelschwaden waren aufgerissen und auf der Kuppe einer Anhöhe erahnte Petter ein Gebäude. Und vor dem Gebäude die Konturen der alten Gebrauchtwagen, die sie verkaufte.
    »Ju säll männy?«, fragte Petter.
    Petronella schüttelte den Kopf. »Everybody has left, it’s only me here.«
    Petter nickte. Der Autoverkauf lief mehr schlecht als recht, weil alle weggezogen waren und Petronella als Einzige noch hier war. Na danke. Wie das war, wusste Petter nur zu gut.
    »Care for some tea?«, fragte die Luftspiegelung.
    »Wott?«, fragte Petter.
    »Would you like some tea?«
    »Oh«, sagte Petter, als er verstand, dass sie ihn zum Tee einlud. »Ju dohnt häff Kakao, du ju?«
    Die Luftspiegelung, die sich Petronella nannte, strahlte plötzlich über das ganze Gesicht. »Do you like cocoa better than tea as well, then?«
    Petter nickte langsam. Das musste definitiv eine Luftspiegelung sein. Ein Mädchen, dass Hängegleiter und Kakao mochte – das war

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