Doktor Proktor im Goldrausch
unzurechnungsfähig.«
»Ich bin nicht unzurechnungsfähig!«, fauchte Rublov.
»Dann eben nicht«, sagte Bulle. »Aber wenn Ihr Plan so genial ist, warum soll ich Ihnen dann irgendetwas erzählen?«
Rublov kratzte sich den äußerst wohlfrisierten Spitzbart. »Weißt du was, Schörlo? Du bist gar nicht so dumm. Das ist nämlich richtig. Ich komme wunderbar ohne irgendeine Information von dir klar!«
»Schön!«, sagte Bulle. »Dann könnte ich ja eigentlich gehen, oder? Ich habe eine Verabredung zum Kino und…«
»Gehen?« Rublov grinste breit. »Was sagt ihr dazu, ihr elenden Proletarier?« Er drehte sich zur Familie Crunch um. »Wollen wir den Knirps gehen lassen?«
»Mha, ha, ha, ha!«, antworteten sie im Chor.
»Dachte ich’s mir doch«, sagte Rublov und schnappte sich seinen Hut und Mantel. »Ich muss los, aber ich übergebe dich vertrauensvoll in die Hände von…«, er dämpfte die Stimme zu einem Flüstern, »…Mama Crunch.«
Eine Sekunde später knallte die Tür hinter ihm ins Schloss und die Drachenmutter baute sich vor ihm auf. Sie blies Bulle muffigen Essensatem ins Gesicht und quetschte seine Wangen zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen.
»Hast wohl geglaubt, du könntest Mama mit dem einschleimenden Lob ihres Puddings reinlegen, was? Du elender Fleischfetzen von einem Jammerlappen! Ich gehe jetzt Spaghetti kaufen. Das ist das Lieblingsgericht meiner Jungs. Was, glaubst du, gibt’s dazu?«
Bulle klapperte mit den Zähnen. »P-p-parmesan.«
»Korrekt, Mister Schörlo. Also mach dich schon mal innerlich bereit auf…«
Sie schwang den Arm Richtung Sofa, sodass ihr Oberarmfett schwabbelte und wabbelte und ihre drei Söhne wieder im Chor antworteten:
»KNOCHENPOKER!«
Kapitel 17
Das Knochenpokerspiel.
Entschuldigung: Das GROSSE
Knochenpokerspiel
E s ist sinnlos« , stöhnte Doktor Proktor und sah auf die Uhr. »Jetzt laufen wir schon seit vier Stunden kreuz und quer durch London und keine Spur von Bulle.«
»Aber Bulle muss doch irgendwo sein«, sagte Lise verzweifelt.
Es wurde allmählich dunkel und Lise und Doktor Proktor waren zurück auf dem Platz, von dem aus sie aufgebrochen waren. Er war leicht wiederzuerkennen. Denn genau in der Mitte stand eine Säule, die so hoch war, dass man unmöglich erkennen konnte, wen die Statue, die da oben stand, darstellte. Aber Doktor Proktor hatte gesagt, dass es sich um einen gewissen Nilsen handelte, womit nicht der Programmleiter der Norwegischen Lügenbolde, sondern irgendein bekannter Seemann gemeint war.
»Hoffentlich ist Bulle nichts passiert«, flüsterte Lise. Der Professor sah sogar eine Träne in ihrem Augenwinkel aufblitzen.
»Ich habe Scotland Yard Bescheid gesagt, die fahnden auch nach ihm«, sagte Proktor. »Du wirst schon sehen.«
»Und ich war so neidisch auf Bulle!«, flüsterte Lise.
»Warum das denn?«
»Weil nie ich diese verrückten Sachen machen darf. Ich muss IMMER die Anständige, Vernünftige sein, die auf Bulle aufpassen muss. Ich will auch mal verrückte Sachen machen, was Witziges, bei dem mir die ganze Welt zuschaut!«
»Aber Lise! Ohne dich hätten wir doch niemals geschafft, was wir schon alles geschafft haben!«
»Ohne mich«, schluchzte Lise, »wäre Bulle nicht irgendwo gefangen oder vielleicht sogar schon tot! Bloß weil ich neidisch war und mir gewünscht habe, dass er nicht IMMER alles so super auf die Reihe kriegt!«
»Hm«, sagte Doktor Proktor. »Und jetzt hast du ein schlechtes Gewissen, weil du glaubst, dein Wunsch ist in Erfüllung gegangen?«
»Ja!«, heulte Lise.
»Das macht dich doch nicht zu einem schlechten Menschen. Glaubst du etwa, dass Bulle dich nie um etwas beneidet hat?«
»Mich?« Lise wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab. »Warum sollte man denn auf MICH neidisch sein?«
»Och, ich könnte mir schon vorstellen, dass Bulle auch gerne so Eltern wie deine hätte oder gerne mal jemand wäre, den alle nett finden. Oder dass er ab und zu nichts dagegen hätte, so klug zu sein wie du oder so ein gesundes Selbstbewusstsein zu haben.«
»Selbstbewusstsein? Ich habe doch kein…«
»Oh doch, das hast du.« Proktor nahm die beschlagene Schwimmbrille von der Nase und wischte sie ab. »Du hast nur die Art von Selbstbewusstsein, die man nicht gleich sieht, weil du nicht viel Lärm darum machst. Aber dein Selbstbewusstsein ist dafür umso stärker. Das wirst du schon noch irgendwann merken.«
»Glauben Sie?«
»Das verspreche ich dir.« Viktor Proktor setzte sich die Brille wieder
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