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Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Titel: Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesboe
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…«, sagte Doktor Proktor lächelnd.
    »… besteht wohl …«, lachte Lise,
    »… keinerlei Zweifel!«, vollendete Bulle den Satz.

19. Kapitel
    Seiltanz und ein Trønder mit Namen Petter
    Der Wind pfiff Bulle um die Ohren. Er kniff den Mund hoch konzentriert zusammen, streckte die Arme zur Seite aus und starrte stur geradeaus, während er mit allergrößter Vorsicht einen Fuß vor den anderen setzte. Ein Windstoß wollte ihn kopfüber in den Abgrund stürzen, aber die Schuhe saugten sich sozusagen an der Metallleitung unter ihm fest.
    Als er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, tat seine Mütze einen kleinen Hüpfer auf seinem Kopf.
    »Jetzt hör doch mal mit der Hickserei auf, Perry!«, zischte Bulle. »Ich versuch mich zu konzentrieren!«
    Er guckte nach unten.
    »Und nicht nach unten schauen, Bulle!«, flüsterte er und hob schnell den Blick.
    Zu spät. Denn er hatte bereits gesehen, wie schwindelerregend weit es bis zu der Wasseroberfläche unter ihm war. Die zu allem Überfluss auch noch ganz schwarz war. Schwarz wie Asphalt. Und sicher genauso hart, wenn man aus hundert Metern Höhe daraufknallte. Bulle erinnerte sich noch gut an die Geschichte seines Großvaters, der als junger Seemann gemeinsam mit dem zweiten Steuermann in San Francisco an Land gegangen war. Es war so heiß gewesen, dass sie beschlossen hatten, ein Bad zu nehmen und dazu von der Golden Gate Bridge zu springen. Aber sie hatten nur eine Badehose. Ein blaues, ziemlich ausgeleiertes Teil, um das sie schließlich Schere, Stein, Papier spielten. Der Großvater hatte Stein und der zweite Steuermann Papier und zu der Zeit hat Papier noch Stein geschlagen. Damit hatte der zweite Steuermann triumphierend seine Zweitersteuermannsmütze abgenommen, sich die ziemlich ausgeleierte Badehose angezogen, war auf das Geländer geklettert und gesprungen. Großvater hatte zugesehen, wie der zweite Steuermann immer kleiner und kleiner geworden war, und hatte erkannt, dass die Brücke viel höher war, als sie angenommen hatten. Und als der zweite Steuermann auf die Wasseroberfläche traf, war ihm klar, dass diese viel härter war, als sie gedacht hatten. Kurz und gut, das war das jähe Ende des zweiten Steuermannes, zurück blieb nur die blaue, ziemlich ausgeleierte Badehose, die wieder an die Oberfläche gestiegen war. Bulle hatte schon oft gedacht, dass sein Großvater, wenn er damals nicht Stein genommen hätte, gesprungen wäre, und dann hätte er nie Großmutter getroffen und mit ihr Papa gemacht, und ohne den wäre Bulle nie geboren worden. Allerdings fragte Bulle sich in diesem Augenblick, ob das nicht vielleicht besser gewesen wäre, denn schon rüttelte der nächste Windstoß an der Hochspannungsleitung. Er brachte sie und Bulle so in Schwingung, dass er für den Bruchteil einer Sekunde direkt in das schwarze Wasser hinuntersah, auf dem inzwischen vereinzelte weiße Schaumkronen zu sehen waren.
    Bulle ging in die Knie, versuchte, das Gleichgewicht zu halten, und wartete, dass die Leitung zu schwingen aufhörte. Dummerweise war es noch immer ziemlich weit bis hinüber zur anderen Seite und der Wind wurde immer stärker. Ihm war nicht ganz klar, wie er das schaffen sollte, mit oder ohne Balanceschuhe. Aber er hatte keine andere Wahl. So einfach war das. Also setzte er den linken Fuß vor den rechten. Dann den rechten vor den linken. Es ging doch gar nicht so schlecht. Hatte der Wind abgeflaut? Ja, es sah so aus. Weit entfernt hörte Bulle eine Stimme rufen. Es war Lise ganz weit unten am Fluss. Aber er wollte sich jetzt nicht umdrehen. Er wollte weiter und setzte die Füße schneller und schneller voreinander.
    Jetzt war es ganz windstill. Sollte er es vielleicht doch schaffen? In diesem Augenblick hörte er es. Ein Rauschen, das vom Wald kam. Aus den Augenwinkeln sah er die Spitzen der kräftigen Tannen unten am Flussufer. Sie bogen sich, legten sich unter den kräftigen Windstößen fast auf die Seite. Und Bulle wusste: Er war verloren. Der Wind hatte nur tief Luft geholt und all seine Kräfte gesammelt, um den winzigen, frechen Rotschopf dort wegzupusten, wo er nicht hingehörte. Und dann atmete der Wind mit voller Wucht aus. Bulle duckte sich, als der erste Windstoß ihn traf und ihm die orange Mütze vom Kopf blies. Er sah sie davonflattern, erst ein Stück nach oben, bevor sie abwärtstrudelte und schließlich zu einem kleinen Punkt wurde. Der zweite Windstoß schleuderte ihn zweimal um die Hochspannungsleitung herum, bevor der dritte und

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