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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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und Raspas Wimpern flogen weg. Die Fahnenstangen auf dem Marktplatz bogen sich zu Boden, Zuschauer wurden umgerissen, die Priester vollführten in ihren Gewändern und prunkvollen Halsketten Purzelbäume. Als sie endlich wieder zu Sinnen kamen, husteten sie und blinzelten mit tränenden Augen umher, sahen aber nichts. Denn der Scheiterhaufen und sämtliche Fackeln waren ausgepustet und der Marktplatz lag unter dichtem Rauch.
    »Bulle!«, rief Lise hustend in die Dunkelheit. »Jeanne!«, rief Bulle hustend in die Dunkelheit. »Doktor Proktor!«, rief Jeanne hustend in die Dunkelheit. Doch kein Doktor Proktor antwortete. Stattdessen hörten sie Stimmen auf dem Platz: »Zündet den Scheiterhaufen wieder an!« Bulles Hand fand eine andere Hand. »Bist du das, Lise?«, rief er. »Sprich mit mir, Lise!« Eine Stimme flüsterte ganz nah bei seinem Ohr: »Und du sagst, Mädchen können nicht richtig furzen. Jetzt schuldest du mir eine Tonne extra klebrige Karamellbonbons.«
    »Lise! « »Komm, wir suchen Jeanne. « Sie tasteten sich durch Rauch und Dunkelheit voran ,
    bis Bulle einen Kopf berührte, der sofort weggezogen wurde.
    »He, du bringst mein Haar durcheinander!«, beschwerte sich eine Stimme.
    »Jeanne!«, sagte Lise. »Kommt, wir halten uns an den Händen, dann verlieren wir uns nicht wieder.«
    Doch das war nicht nötig, denn allmählich verzog sich der Rauch, und so sahen sie, wie die ersten Fackeln auf dem Platz wieder entzündet wurden. Und sie hörten Stimmen:
    »Hexen und Zauberer! Fangt sie ein!«
    »Ins Feuer mit ihnen, zu der Hexe!«
    »Zeit, sich zu verdünnisieren«, sagte Bulle.
    »Und... Juliette?«, sagte Jeanne.
    »Und Raspa«, meinte Lise. »Wo ist Raspa?«
    »Schaut!« Bulle streckte den Finger aus. »Da kommt wer!«
    Und tatsächlich, zwei in Rauch gehüllte Gestalten kamen auf sie zugehastet. Sie stützten einander und sahen weder wie Priester, Bischöfe noch wie Henkersknechte aus.
    »Lauft, Kinder, lauft!« Juliettes Stimme. »Sie sind uns auf den Fersen. Zurück in den Kerker!«
    Sie rannten. Und im Rennen hörten sie hinter sich ein unheimliches und nur zu bekanntes Geräusch. Das Knistern des brennenden Holzstoßes, das Brüllen der Flammen, das Pfeifen der vom Feuer angesaugten Luft.
    »Nicht umdrehen, Kinder!«, rief Juliette.
    Sie folgten ihrer Bitte, sahen sich nicht um, rannten einfach drauflos. Rannten und versuchten, den Gedanken daran wegzuschieben, was gerade mit ihrem besten Freund geschah. Rannten durch die Eingangshalle, durch die offene Tür, die sie hinter sich verschlossen und verriegelten, die Wendeltreppen hinunter, durch die Gänge, bis sie endlich in dem dunklen Kerkerloch anlangten. Lise hielt die Tür auf, bis auch die beiden Letzten drinnen waren, dann zog sie sie zu.
    Durch das Fensterchen fiel flackernder Widerschein.
    »Wie grässlich . . .«, flüsterte Jeanne.
    »Ich muss das sehen!« Bulle zerrte an der langen, dürren Gestalt, die mit Juliette hereingekommen war und sich jetzt unter das Fenster stellte, um Bulle auf die Schultern zu nehmen. Die Szenerie draußen war hell erleuchtet. Im Licht der Flammen war ihr Gesicht gut zu erkennen... Moment mal! Ihr Gesicht? Das...das war ja...
    Verwirrt starrte Bulle von der Frau im Feuer zu der Gestalt, auf deren Schultern er stand.
    »Doktor Proktor?«, schrie Bulle.
    »Ich denke schon«, seufzte der Professor.
    »Aber... aber...«
    »Raspa hatte mir vorhin geholfen, inmitten von Qualm und Durcheinander Juliette loszubinden«, sagte der Professor. »Und ich wollte mich selbst festbinden, da wurde alles schwarz. Und danach weiß ich gar nichts mehr.«
    »Aber ich weiß es«, sagte Juliette. »Raspa schlug Viktor mit ihrem Holzbein nieder, Gott weiß, warum. Ich beugte mich über ihn, brachte ihn irgendwie wieder zu sich, und als ich hochschaute, war Raspa schon von Rauch umhüllt. Ich half Viktor hoch und begriff, dass wir schnellstens in den Kerker zurückmussten, zu meiner Zeitbadewanne, damit wir hier wegkönnen. Und dann entdeckte ich euch, liebe Kinder...ihr ahnt ja gar nicht, wie erleichtert ich war!«
    »Und wir erst«, sagte Lise. »Bulle, was siehst du?«
    Bulle spähte durch die Gitterstäbe. Jetzt hatten die Flammen das Holzbein und den langen Mantel ergriffen und Raspas Gesicht glänzte rot und gelb. Bulle war nicht ganz sicher, aber es sah fast aus, als würde sie mit ihren spitzen Zähnen grinsen. Und sie rief etwas. Leicht zu verstehen war es nicht im Tosen der Flammen, aber es klang fast...wie »Gebt mir ein

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