Dokument1
Arnie konnte man vor lauter Pickeln das Gesicht kaum noch sehen. Er versuchte zwar, mindestens fünfmal am Tag, die Dinger mit dem Waschlappen wegzuscheuern, ging mindestens zwei Dutzend Male pro Woche unter die Dusche und kaufte sich jede Creme, die vom Fernsehen oder der Wissenschaft gegen Akne angepriesen wurde, und probierte jedes Hausmittel aus. Nichts half. Arnies Gesicht sah aus wie eine doppelt belegte Pizza, und er mußte sich schon früh darauf gefaßt machen, daß er sein ganzes Leben lang mit Kratern und Pockennarben im Gesicht herumlaufen würde.
Ich mochte ihn trotzdem. Der Junge hatte Humor, witzige Einfälle und einen neugierigen Verstand, der immer an etwas herumknobelte, etwas austüftelte oder kleine Spielchen erfand, die die reinste Denkgymnastik waren. Es war Arnie, der mir, als ich sieben war, zeigte, wie man eine Ameisenfarm anlegen mußte, und wir verbrachten fast den ganzen Sommer damit, diese kleinen Biester zu beobachten, fasziniert von ihrem Fleiß und ihrer todernsten Einstellung zum Leben. Es war Arnies Idee, daß wir uns eines Nachts, als wir zehn Jahre alt waren, in die Reitställe an der Route 17 schlichen, dort einen Eimer voll Pferdeäpfel klauten und ihn dann auf dem Rasen vor dem Libertyville-Motel unter dem Hintern der riesigen Pferdeplastik wieder auskippten. Er weihte mich in das Schach- und später in das Pokerspiel ein. Er zeigte mir, wie ich beim Scrabble die höchste Punktzahl herausholen konnte. Sobald es draußen regnete, dachte ich immer sofort an Arnie - jedenfalls bis zu dem Tag, als ich mich zum erstenmal verliebte (jedenfalls vergaffte - sie war Vorsängerin des weiblichen Jubelchors auf der Footballtribüne und hatte einen fantastischen Körper, in den ich ganz bestimmt verliebt war, obwohl ich Arnie nicht hundertprozentig widersprechen konnte, als er mich darauf hinwies, daß sie einen Verstand von der Tiefe und Resonanz einer leeren Patronenhülse besäße) -, weil Arnie wußte, wie man aus verregneten Tagen genauso wie beim Scrabble das Bestmögliche herausholen konnte. Vielleicht ist das eine Methode, mit der man wirklich einsame Menschen zu erkennen vermag… sie wissen, wie man sich an verregneten Tagen auf vernünftige Weise die Zeit vertreibt. Man kann sie immer telefonisch erreichen. Sie sind immer zu Hause. Absolut immer.
Was mich betrifft, so brachte ich ihm das Schwimmen bei, nahm ihn mit zum Krafttraining und gab ihm ein paar Rohkost-rezepte, damit er ein bißchen Muskelfleisch ansetzte. In der Unterprima beschaffte ich ihm in Libertyville einen Job beim Straßenbau - wir mußten beide hart kämpfen, bis seine Eltern damit einverstanden waren. Sie betrachteten sich zwar als große Freunde der Farmarbeiter in Kalifornien und der Stahlar-beiter hier in dem Kaff; doch sie waren entsetzt bei dem Gedanken, daß ihr hochbegabter Sohn (ich verweise wieder auf den Stanford-Binet-Intelligenztest) sich die Hände schmutzig machen und den Buckel in der Sonne verbrennen könnte.
Und dann, am Ende der Sommerferien, sah Arnie Christine zum erstenmal und verliebte sich in sie. Ich war an dem Tag bei ihm - wir waren gerade auf dem Heimweg von der Arbeitsstelle -, und ich bin jederzeit bereit, falls nötig, vor dem Thron des allmächtigen Gottes zu schwören, daß die Sache sich so, wie ich sie berichte, zugetragen hat. Himmel, es war Liebe auf den ersten Blick. Es hätte ein Spaß werden können, wenn es nicht so traurig und später geradezu unheimlich gewesen wäre.
Ja, und man hätte darüber lachen können, wenn es nicht so schlimm gewesen wäre.
Wie schlimm?
Teil I:
Dennis - Autoradio-Songs
l Liebe auf den ersten Blick
Hey, looky there!
Across the street!
There’s a car made just for me,
To own that car would be a luxury…
That car’s fine-lookin, man,
That’s somethin eise.
- Eddie Cochran
»Oh, mein Gott!« rief mein Freund Arnie Cunningham plötzlich ganz laut.
»Was ist los?« fragte ich. Seine Augen waren stier hinter den stahlgefaßten Brillengläsern, die gewölbte Hand verdeckte teilweise seinen Mund, und beim Umschauen verrenkte er den Kopf, als hätte er keine Wirbel, sondern einen Satz Kugellager im Genick.
»Halt den Wagen an, Dennis! Fahr zurück!«
»Was ist denn…«
»Fahr zurück, ich möchte sie noch einmal anschauen.«
Plötzlich begriff ich. »Oh, Mann, vergiß es«, sagte ich.
»Wenn du diese… diese Chaise meinst, an der wir gerade vorbeikamen…«
»Fahr zurück!« schrie er mich förmlich an.
Okay, ich tat ihm
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