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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Klasse aufzusu-chen. Und dort im Korridor, fast eingezwängt von den grauge-strichenen, nüchternen Wandschränken aus Blech, die die Wände säumen, steht Christine - eine fabrikneue Christine mit sattem weiß-rotem Hochglanzlack auf vier neuen Weißwandreifen, eine geflügelte Viktoria aus Chrom oben auf dem Kühler, die mir einen Siegerkranz entgegenstreckt. Sie ist leer, aber ihr Motor läuft, pendelt ständig zwischen hoher und niedriger Tourenzahl… zwischen Standgas und Vollgas… zwischen Flüstern und Brüllen. In manchen dieser Träume ist die Stimme, die aus ihrem Autoradio kommt, die Stimme von Richie Valens, der vor vielen Jahren zusammen mit Buddy Holly und J.P. Richardson, The Big Bopper, bei einem Flug-zeugabsturz ums Leben kam. Richie plärrt »La Bamba« zu einem lateinamerikanischen Rhythmus, und als Christine plötzlich auf mich losspringt, eine schwarze Gummispur auf den Korridorboden legend und mit ihren Türgriffen die Wandschränke auf beiden Seiten des Flures aufreißend, sehe ich, daß sie vorne auf dem Kühler eine Plakette trägt - einen grinsenden weißen Totenschädel auf kohlschwarzem Grund. Und über diesem Totenkopf ist eine Inschrift: ROCK AND ROLL WIRD
    NIEMALS STERBEN.
    Dann wache ich auf - manchmal mit einem Schrei, doch immer beide Hände um mein Bein gekrampft.
    Doch auch diese Träume werden nun seltener. In einer meiner Psychologie-Vorlesungen - ich habe viele Vorlesungen in Psychologie besucht, vermutlich in der Hoffnung, daß ich Dinge verstehen lerne, die man nicht verstehen kann - habe ich gehört, daß die Menschen weniger träumen, wenn sie älter werden. Ich glaube, ich werde jetzt doch wieder normal werden. Letzte Weihnachten, als ich Leigh zum Fest alles Gute wünschte, schrieb ich unter meinen üblichen Segenswunsch und unter meine Unterschrift ganz impulsiv noch ein Postscrip-tum: Wie wirst du damit fertig? Dann klebte ich das Kuvert zu und steckte es in den Briefkasten, ehe ich es mir noch anders überlegen konnte. Einen Monat später bekam ich von ihr eine Postkarte als Antwort. Darauf war das neue Kulturzentrum von Taos abgebildet. Auf der Rückseite stand meine Adresse und eine einzige Zeile: Womit soll ich fertigwerden? L.
    So oder so, glaube ich, erfahren wir die Dinge, die wir wissen müssen.
    Ungefähr zur gleichen Zeit - offenbar denke ich in der Weihnachtszeit am meisten darüber nach - schickte ich auch an Rick Mercer einen Brief, weil mich diese Frage zunehmend beschäftigte und quälte. Ich bat ihn um Auskunft, was aus dem Metallblock geworden wäre, den gepreßten Überresten von Christine.
    Ich bekam keine Antwort.
    Doch die Zeit wird mich lehren, auch damit fertig zu werden.
    Ich denke schon viel seltener daran. Wirklich.
    Da bin ich nun, am Ende von allem, alte Erinnerungen und alte Alpträume, zu einem Stoß Papier vereinigt und sauber gebündelt. Bald werde ich das Bündel in einen Ordner einheften und den Ordner in den Aktenschrank einschließen. Und damit wird es zu Ende sein.
    Aber ich sagte schon, daß es noch einen anderen Grund gab, nicht wahr? Noch einen anderen Grund, weshalb ich das alles niederschrieb.
    Sein unbeirrbares Zielbewußtsein. Sein nicht enden wollender Zorn.
    Ich las es vor ein paar Wochen in der Zeitung - eine kurze Meldung, die von der Nachrichtenagentur verbreitet wurde, weil sie so bizarr war, glaube ich. Sei ehrlich, Guilder, höre ich Arnie in meinem Gedächtnis zu mir sagen, also werde ich auch ehrlich bleiben. Es war diese kurze Meldung, die mich dazu brachte, es niederzuschreiben, mehr als all diese Träume und die alten Erinnerungen.
    Diese Agenturmeldung betraf einen Typ namens Sander Galton, dessen Spitzname, wie jeder sich leicht denken kann, Sandy gewesen sein muß.
    Dieser Sander Galton kam in Kalifornien ums Leben, wo er in einem Autokino in Los Angeles als Vorführer arbeitete. Er war offensichtlich allein und wollte nach der letzten Abendvorstel-lung die Vorführungskabine abschließen. Die Kabine befand sich an der Rückseite der Snack-Bar, die zu dem Kino gehörte.
    Ein Wagen kam mit Vollgas durch die Vorderfront der Snack-Bar, warf die Selbstbedienungs-Theke um, zertrümmerte die Popcom-Maschine und traf ihn voll in den Rücken, als er gerade die Tür der Vorführerkabine abschließen wollte. Die Polizisten, die diesen Fall untersuchten, bezeugten, daß es so gewesen sein muß, denn der Tote, der von dem Wagen überfahren worden war, hielt noch die Schlüssel in der Hand. Ich las diese Meldung mit der

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