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Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
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ein paar Bäume pflanzen lassen, um den Anblick zu verschönern. Der Regen löst einiges auf und lässt das Material zusammensacken, und dann wird dieser Prozess durch viele chemische Reaktionen beschleunigt. So haben sich neue Gerüche gebildet, und ganze Schwärme schwarzer Fliegen fielen bei uns ein. Auch die Möwen wurden in Scharen angelockt. Bei uns im Haus hatte die Schäferhündin im August vier Welpen geworfen, die wir dieses Mal nicht ertränkt haben, denn ich hatte bereits einen Plan im Kopf. Sobald die Mamma eine der beiden Krücken, die rechte, weglassen durfte, habe ich ihr vorgeschlagen, sich im Verein mit der Hundemutter Barbie und ihren Jungen Nero, Scuro, Bruna und Secco der Möwen anzunehmen.
    Die Mamma hält also die Barbie an der Leine, und die Welpen rennen wie verrückt auf die Möwen zu, die schon bewiesen haben, wie sehr sie sich vor ihnen fürchten. Die Mamma taumelt mit der einen Krücke, hält sie aber fest. Dann lässt sie die Barbie von der Leine, die ihren Nachwuchs zur Attacke führt, und dann sieht man ganze Wolken aufgescheuchter Möwen vor Angst auffliegen, und danach drehen sie, vorsichtiger geworden, nur noch ihre Kreise über der Deponie. Viel wirksamer als die Vogelscheuchkanonen, die Krach machen und außerdem bei Regen kaputtgehen. Die Mamma ist froh, dass sie wieder mit von der Partie ist, und zieht daneben noch ihr schönes Krankengymnastikprogramm durch.
    Das Verfahren wirkt sich auch auf die natürliche Auslese aus, weil die Barbie ab und zu eine übel zugerichtete Möwe erwischt und zwischen den Zähnen zermalmt; so entzieht sie dem Kreislauf die lästigsten Exemplare, die kranken oder solche, die irgendwo in den Teer geraten sind und normalerweise auf den Straßen oder in den Gärten um die Häuser verendet wären.
    Ende November durchlebten wir eine schwierige Phase, und das genau in einem Monat, der eigentlich zu Euphorie Anlass gegeben hätte. Man hatte nämlich angefangen, uns aus Turin und Genua pulversierte Autoteile zu liefern. Es handelte sich um eine Art Granulat, hergestellt aus der Innenausstattung von Autos: Sitzen, Plastikteilen, Stoßstangen und vielleicht auch Blechteilen. Wenn sie von den Lastwagen abgeladen wurden, wirbelte ein erstickender, farbiger Staub durch die Luft, und während ich am Lenkrad des Kompaktors saß, war ich gezwungen, eine Atemmaske zu tragen. Das Material ließ sich nur unter großem Geknister komprimieren, wobei winzige Nädelchen gegen das Glas des Führerhauses prasselten. Elektrisch geladenes Material, wie es schien. Die Lkw-Fahrer, die es anlieferten, wiesen uns wiederholt darauf hin, dass es sich ausschließlich um Teile von Unfallautos handelte, dass die Sitze blutverschmiert gewesen waren, die Stoßstangen Menschen zerquetscht hatten und dass die Kunststoffteile hochgiftig seien. Deshalb würden die Firmen, die sie schickten, auch so gut zahlen. Die Leute schafften es, mich ein wenig zu beeindrucken. Nicht dass es den Transporteuren an Legenden gefehlt hätte! Sie erzählten wirklich viel. Aber die Vorstellung, dass das Material mit menschlichem Blut vollgesogen war, löste damals etwas in uns aus.
    An den kürzer werdenden Tagen waren wir noch in der Dunkelheit bei der Arbeit; der Kompaktor fuhr mit Scheinwerfern, und Antonietta saß unter einer großen Lampe an ihrem Platz. Und in uns begann es ein wenig zu rumoren. Da hörten wir von den Hügeln Klagelaute herüberwehen. Nichts Genaues, nichts eindeutig Erkennbares. Vielleicht war es nur die typische Herbstluft, die durchzog. Vielleicht waren es die Materialmassen, die tagsüber die Wärme absorbierten und sich ab dem Nachmittag durch die Luftabkühlung wieder zusammenzogen. Vielleicht war es das Material, das beim Absenken ächzte. Der Hügel des ersten, zugedeckten Deponieabschnitts war nach den Regenfällen im Oktober schon um einige Dutzend Zentimeter nach unten gesackt. Wir waren davon ausgegangen, dass das Abfallmaterial durch das Plastikmonster gut abgedichtet sei, stattdessen musste irgendwo Wasser eingesickert sein, oder vielleicht war es nur eine natürliche Senkung. Die Abfälle verwandeln sich halt, und Gott allein weiß, in was. Aber so etwas wie eine fixe Idee brachte uns dazu, diese Geräusche als Gejammer zu interpretieren, als Zähneknirschen mit zusammengepressten Kiefern, und Antonietta hörte schon das Gepolter der zerbrochenen Knochen, des zerfetzten Fleisches.
    ›Das ist der Wind, Antonietta …‹, versuchte ich sie zu beruhigen.
    ›Das sind die

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