Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
zappeln ließ. Dieser tat, als würde er am Kaffee schnuppern und sich für die durchsichtigen Säulen voller Kaffeebohnen interessieren, die darauf warteten, gemahlen zu werden.
»Welcher Gedankengang mich zu dem geführt hat, was ich Signorina Ricci gesagt habe, ist nicht wichtig. Wichtig ist, was wir jetzt machen. Hör mir gut zu: Der Mörder kommt nicht aus dem Umkreis der attackierten Verkäuferinnen. Fast mit Sicherheit hat er nur die Gunst der Stunde genutzt.«
»Ja, und?«
»Der Mörder hat eindeutig Signorina Schepis umbringen wollen und sich nur das Durcheinander zunutze gemacht.«
»Also kein Krieg gegen die Symbole?«
»Landrulli, dieses Land hier ist absolut pragmatisch. Nicht einmal ein Mörder verschwendet seine Zeit wegen eines einfachen Symbols.«
»Mag sein …«
»Und die Rumänin?«
Landrulli rückte mit einer Adresse in Timişoara heraus, einer abenteuerlichen Familiengeschichte, einem Liebhaber im Dienste Ceauşescus, mit Geheimdiensten, aber dann habe es den Aufstand gegeben, die Toten, und man habe ihren Mann ermordet, vielleicht war der Mörder sogar ihr Liebhaber, und dann kamen die Flucht, ein neuer Partner, ein Italiener, der sie dreimal die Woche zum Geschlechtsverkehr auf dem Sofa zwingt, die Rückenschmerzen, die Freundin, die sie unter tausend Entschuldigungen am Samstagabend zum Tanzen in die Diskothek abschleppt.
»Und was soll das alles mit unseren Ermittlungen zu tun haben?«
»Das frage ich mich auch.«
»Könnte sie deiner Meinung nach dem Mörder den Schlüssel gegeben oder es zugelassen haben, dass er sich eine Kopie anfertigen lässt?«
»Das habe ich sie gefragt! Sie hat mir bei den Märtyrern von Timişoara geschworen, nichts dergleichen gemacht zu haben.«
»Landrulli, wir gehen noch mal in die Wohnung des getöteten Mädchens.«
»Morgen?«
»Noch heute Abend.«
»Na toll …«
Zur Piazzetta San Parisio gelangten sie über den Fischmarkt. Sie sahen die beleuchteten Brücken und lauschten in die Stille hinein, die zwischen den Palazzi der kleinen Insel, dem dunklen Wasser und den Mühlrädern schwebte, welche vergebens auf Arbeit warteten.
»An einem hübschen Plätzchen hat die Signorina gewohnt …«
»Und ob! Wenn wir mit den Ermittlungen fertig sind, könntest du dich hier eigentlich einmieten, Landrulli.«
»Nein, nicht in die Wohnung einer Toten …«
»Was ist schon dabei? Die Hälfte aller Mietwohnungen wird wohl schon einige Tote überlebt haben.«
»Es ist in Ordnung, wenn man eine Wohnung erbt. In diesem Fall aber geht es um einen unnatürlichen Tod …«
»Gleich werden wir das Haus betreten. Sobald wir die Schwelle überschreiten, stellen wir uns vor, wir wären die Schepis: Wir steigen die Treppe hoch, stecken den Schlüssel ins Schloss, hängen unsere Mäntel auf und gehen ins Bad, alles so, als wären wir sie. Einverstanden?«
»Ich werde mir alles notieren, Signor Inspektor.«
Dritter Stock, zwei Wohnungen pro Etage, sauberes Treppenhaus, Geländer und Stufen in ordentlichem Zustand, die Wohnungstür neu, ohne Spion; in der Tür gegenüber ist dagegen einer angebracht.
»Gehen wir hinein.«
Sicherheitsschloss, also gegen Diebstahl gesichert.
»Soll ich das Licht anmachen, Signor Inspektor?«
Im Wohnzimmer ein Sofa mit hellem Lederbezug, ein schwarzer, leichter Tisch mit quadratischer Platte, sehr modern. »Fühlst du dich wie die Schepis?« – »Hundertprozentig, Signor Inspektor!« Nur ein einziges Bild im Wohnzimmer, eine große Mohnblüte, Kleiderhaken neben der Tür, beim Eingang.
»Das Mädchen kommt von der Arbeit nach Hause«, sagte Stucky, »hängt den Mantel auf, weil sie, wie man sieht, sehr ordentlich ist. Sie geht ins kleine Bad mit der Dusche, Duschgel aus dem Biomarkt, Naturbalsam aus dem Reformhaus, Seife aus Marseille. Dann geht sie sich umziehen. Das Schlafzimmer ist nicht übel. Das Bett ist niedrig, im orientalischen Stil, darüber ist ein farbenfroher Kelim gebreitet, kein Nachtkästchen, ein Stapel Bücher rechts und ein Stapel links, das Bett hat natürlich Überbreite, ein Schrank mit Schiebetüren, neu, die Schepis macht es sich bequem, legt die Tageskleider auf das Bett, zieht einen Pyjama oder einen leichten Hausanzug an, die Wohnung ist sehr warm, sie fühlt sich wohl, so leicht bekleidet. Mach du mal weiter, Landrulli.«
»Tja, sie wird wohl was essen, Signor Inspektor …«
»Und du siehst sie wirklich essen, die Schepis? Vielleicht in der Mittagspause. Aber am Abend? Siehst du sie in die Küche
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