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Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
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gehen, Mikrowelle, Anrichte mit einem Minimum an Geschirr, siehst du, wie sie ein Tiefkühlgericht aus dem Kühlfach holt? Siehst du sie am Abend, wie sie den Tisch deckt, ein Set aus Bambus, eine gelbe Serviette, Teller und Glas und das Besteck mit den geblümten Plastikgriffen? So sehe ich sie nicht«, sagte Stucky und schüttelte energisch den Kopf. »Signorina Schepis achtet sehr auf ihr Gewicht, die Waage im Bad ist schon ganz glatt poliert. Sie hört Musik, es gibt keinen Fernseher, vielleicht hat sie auch einen Kimono zwischen ihren Wäschestücken. Schau doch mal nach, Landrulli.«
    »Der Kimono ist hier, Signor Inspektor! Wie haben Sie das bloß erraten?«
    »Die Wahrscheinlichkeit lag bei fünfzig Prozent.«
    »Eine interessante junge Frau.«
    »Interessant vor allem für den Mörder …«
    »Dann zieht sie sich an, keine übertriebene Garderobe, lauter geschmackvolle Kleider, von erlesener Eleganz, sie macht sich ausgehfertig …«
    »Und dann?«
    »Geht sie aus … Sie hat ein paar Accessoires angelegt, unter den Schmuckstücken ausgewählt, die sich in dieser Schatulle auf dieser kleinen Kommode befinden; unten, in der Schublade, liegen Schlüpfer, Strümpfe, Unterhemden, Taschentücher, Foulards. Sie liest Kundera, Chatwin, das Übliche, Anaïs Nin, sie lenkt sich ab: Promiscuity : An Evolutionary History of Sperm Competition . Wissbegierig, mit Sicherheit führt sie kein Tagebuch …«
    »Was für ein Bild machen Sie sich denn von ihr, Signor Inspektor?«
    »Man kann nachvollziehen, dass sie aus einem Grenzland stammt – zu viele Interessen. Sie hat sich hier nicht wohlgefühlt …«
    »Und?«
    »Sie hat auch noch anderswo gewohnt. Sie muss irgendwo ein anderes Nest haben. Hast du nachgeprüft, seit wie vielen Jahren Signora Pitzalis hier wohnt?«
    »Donnerwetter! Beinahe hätte ich es vergessen! Es sind genau achtzehn Jahre …«
    »Sie wurde aus Istrien evakuiert, und bevor sie hierher nach Treviso kam, hat sie in Triest gewohnt, oder? Hast du die Aufzeichnungen mit den Handygesprächen der Schepis erhalten?«
    »Hm, man hat mir gesagt, dass das ein paar Tage dauern wird …«
    »Und die Analyse der Zettelchen?«
    »Alle, die man auf dem Körper des Opfers gefunden hat, sind Originale …«
    »Bis auf …?«
    »Das mit dem Rimbaud-Zitat.«
    »Das war’s dann, Landrulli … !«

    Als er die Wohnungstür zugeschlossen hatte, verspürte Stucky den Drang, sich den Bauch vollzuschlagen, etwas, was er sonst nie tat. Das Bild, das er sich inzwischen von dem Opfer machte, irritierte ihn. Er musste etwas zu sich nehmen, etwas hinunterschlucken und verdauen, und es gab ein gutes Restaurant in San Parisio, genau gegenüber vom Fischmarkt, auf seinem Lieblingsinselchen, einen Steinwurf von der Casa del Baccalà, dem Tempel des gemächlichen Speisens, entfernt.
    »Risotto und davor der übliche Salat, Signor Inspektor?«, fragte die Kellnerin.
    »Nein, das komplette Menü einschließlich Dessert.«
    »Heute Abend gibt es Tiramisu. Ich weiß nicht, ob Sie das mögen …?«
    »Wenn nicht heute Abend – wann dann? Eine großzügige Portion bitte!«
    Wenn die arme Schepis aus Motiven umgebracht worden wäre, die nichts mit ihrer persönlichen Geschichte zu tun hatten, worauf er gewettet hätte, dann wäre die Angelegenheit vielleicht noch komplizierter gewesen.
    In einem Meer von Menschen, das durch die Stadt rauscht, nach einem Verrückten zu suchen, der die Verkäuferinnen hasst, wäre eine Herkulesaufgabe gewesen. Aber die Vorstellung, die sich Stucky seit den ersten Attacken gemacht hatte, und alles, was er über das Opfer in Erfahrung gebracht hatte, hatten ihn davon überzeugt, dass dies nicht der richtige Ansatz war.
    Ohne sich im Mindesten dafür zu schämen, gestand er sich ein, dass Signorina Schepis eine Frau gewesen war, die ihm gefallen hätte. Mit verschränkten Armen sah er zu, wie sich das Lokal leerte, wie die Gäste, auch die, die nach ihm gekommen waren, nach und nach gingen. Er fühlte die Blicke des Personals auf sich ruhen, das darauf wartete, Feierabend machen und die Kasse und die Küche schließen zu dürfen, und fühlte sich auf theatralische Weise erschöpft.
    »Alles in Ordnung, Signor Inspektor?«
    »Schließt ihr mich hier ein?«
    »Nein, keine Sorge …«
    »Bringen Sie mir noch einen Brandy? Als Abschiedstrunk?«
    »Einen Cardinal Mendoza, wie immer?«
    Einen Kardinal zu schlürfen! Was für ein Vergnügen! Mehr als der Geschmack und die Wärme war es der Sinngehalt des Wortes, der

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