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Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
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in dem der Rest einer zauberhaften Landschaft und das Gefühl stehen gebliebener Zeit überlebt hatten, dann war es wohl am ehesten Asolo – ein Städtchen, eingebettet in eine Umgebung, in die sich die sklerotischen Verkehrsadern der Ebene noch nicht hineingefressen hatten.
    Er stellte den Wagen an einer Auffahrt ab und ging mit Genuss bis zum Ortseingang zu Fuß weiter. Villen und Parks säumten die Straße, und in der Luft lag eine Stille, die nur von den Rennradfahrern unterbrochen wurde, die, die Schwerkraft nutzend, die Straße hinunterschossen. Und bald darauf tauchten die alten Bauten auf, die wuchtigen Palazzi, verziert mit Balkonen, Firstbalken und all jenen Details, die das Auge auch jener Betrachter erfreuen, die nichts von Architektur verstehen.
    Sobald er links in eine kleine Straße eingebogen war, bemerkte er das Schild des Hotels Cipriani, und auch der Luxusschlitten, der hier abgestellt war, bewies, dass er an der richtigen Adresse war. Stucky zog es vor, nur einen kurzen Blick auf den Eingang zu werfen und sich zunächst ein Bild von der Umgebung zu machen.
    Er war seit einigen Jahren nicht mehr in Asolo gewesen, nämlich seit er in seiner Freizeit den Routen der wandernden Antiquitätenmärkte gefolgt und von einer Ausstellung zur anderen gezogen war. Die Gemeinde hatte viel unternommen, um sich vor gierigen Baulöwen zu schützen, vor Abbruchfirmen, Architekten und Landvermessern, vor all diesen Vasallen im Dienst der modernen Macht des Betons. Ruhig und unbeirrt beharrte sie auf ihrer althergebrachten Ordnung und gab den eindringenden Immobilienleuten nur in homöopathischen Dosen nach. So fand Stucky an der Ecke immer noch denselben stilvollen Laden mit Füllfederhaltern und kostbaren Papieren vor, weiter unten den Brunnen, oben die Piazza mit dem Parkplatz, den Bäumen, den Arkaden und den Fassaden einiger herrschaftlicher Palazzi.
    Man begriff sofort, dass das städtische Gefüge von standhaften Grundbesitzern verteidigt wurde, die den eigenen exklusiven Geschäften nachgingen und die nie, höchstens einmal im Ausnahmefall, die eigenen Schätze einer Schar entlohnter Verkäuferinnen anvertrauten. Ob Juwelen oder Textilien, Möbel oder sonstige Kostbarkeiten zu verkaufen waren – in jedem Laden war das Gesicht eines Inhabers zu sehen, der sich des Privilegs dieses Standorts vollauf bewusst war.
    Die Eisdiele vor dem Brunnen auf dem Platz hatte noch Tischchen im Freien stehen; dort saßen, in der Wintersonne, Herren mit Hut und exquisit gekleidete Damen, Engländer, Amerikaner und vermögende Deutsche. Alle entzückt von diesem Kleinod, dieser Stadt zwischen den Hügeln.
    Stucky setzte sich, genoss einen mild schmeckenden Espresso und die sichtliche Ruhe. Eine normale Verkäuferin hätte einen Aufenthalt im Cipriani nicht einmal in Betracht ziehen, geschweige denn eine Rechnung des Hotels bezahlen können. Dennoch ließ diese Tatsache seine Wertschätzung für Signorina Schepis weiter wachsen, weil sie sie noch in ein anderes Licht rückte und ihn in seiner Überzeugung bestärkte, dass diese Frau mit einem ganz besonderen ästhetischen Sensorium ausgestattet gewesen war.
    Er ließ sich Zeit, fast so, als erwarte er sich vom Cipriani nur schlechte Nachrichten. Doch schließlich musste er sich, bevor die Sonne sich zu weit senkte, in sein Schicksal fügen und die Rezeption des prestigereichen Hotels, einer Dependance einer Kette von Luxusunterkünften für gut betuchte Touristen, betreten.
    Stucky löste eine unmerkliche Welle des Staunens aus, als er die Schwelle ohne jegliches Gepäckstück überschritt, ohne Begleitung eines Chaperon oder irgendeines anderen Symbols, das den Geist eines Menschen, der die Länder Europas zu seinem Vergnügen bereist, verkörpert hätte.
    »Inspektor Stucky«, stellte er sich dem Betressten hinter dem Tresen vor.
    »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ich möchte mit einem Verantwortlichen sprechen.«
    »Verantwortlich wofür?«
    »Für alles …«
    »Dann also Signor Maestrali.«
    »Signor Maestrali klingt perfekt.«
    Stucky wurde durch ein prachtvolles Atrium in den Bereich geführt, der den administrativen Funktionen diente, und aufgefordert, in einem herrlichen Sessel im Stil des 18. Jahrhunderts Platz zu nehmen. Die vornehmste Wartegelegenheit seiner ganzen bisherigen Existenz.
    Signor Maestrali war, wie er so aus der Bürotür heraustrat, tatsächlich eine perfekte Erscheinung. Man hätte ihn sich niemals in Pantoffeln vorstellen können.

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