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Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
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Schatten zeichneten sich die von schwarzen Schuppen überzogenen Beine unter dem Stoff ab.
    Ja, einige Soldaten würden sterben. Ja, einige Gebäude würden niederbrennen. Einige Frauen würden vergewaltigt werden. Das ein oder andere Vermögen mochte verloren gehen. Es war ein Übel, das die Stadt überstehen konnte, wie es schon zuvor geschehen war, und niemand ging davon aus, dass das Verhängnis ihn persönlich treffen würde. Die Seele der Stadt hätte man mit einem Schulterzucken auf einen Nenner bringen können.
    Auf einem Anger mit grünem Gras hatte ein angeschlagener Theaterwagen seine Seitenwände herabgelassen, und die flache Bühne war mit schmutzigen gelben Bändern behangen. Die kleine Menge, die davorstand, blickte gleichermaßen neugierig und skeptisch drein. Als Marcus vorbeiging, trat ein alter Mann zwischen den Bändern hervor. Sein Haar stand weit vom Kopf ab, und sein Bart ragte nach vorn.
    »Halt!«, rief der Mann mit einer tiefen, dröhnenden Stimme. »Haltet einen Augenblick inne und kommt näher! Hört die Geschichte von Aleren Menschentod und dem Schwert der Drachen! Oder, wenn ihr zartbesaitet seid, geht weiter. Denn unsere Geschichte handelt von großen Abenteuern. Liebe, Krieg, Verrat und Rache sollen sich hier ergießen, über diese armseligen Bretter, und ich warne euch …« Die Stimme des Schauspielers schien sich zu einem Flüstern zu senken, obwohl sie nach wie vor so weit trug wie das, was er gerufen hatte. »… nicht alle Aufrechten finden ein gutes Ende. Nicht alle Bösen werden bestraft. Kommt näher, meine Freunde, und wisset, dass in unserer Geschichte, genau wie in der Welt, alles geschehen kann.«
    Marcus hatte nicht bemerkt, dass er angehalten hatte, bis Yardem ihn ansprach.
    »Er ist gut.«
    »Scheint so.«
    »Wollen wir ein bisschen zusehen, Herr?«
    Marcus antwortete nicht, aber wie der Rest der kleinen Menge trat auch er näher. Das Stück war eine wohlbekannte Geschichte: eine uralte Prophezeiung, das Böse, das aus den Tiefen der Hölle aufstieg, und ein Relikt des Drachenimperiums, das für die Hand des Helden bestimmt war. Die Frau, die die holde Maid spielte, war womöglich ein wenig zu alt und der Mann, der die Rolle des Helden übernahm, ein wenig zu weich. Aber die Texte wurden gekonnt vorgetragen, und die Truppe hatte alles fachmännisch einstudiert. Marcus bemerkte in der Menge eine Frau mit langem Haar und einen steckendürren Jungen, die an all den richtigen Stellen lachten und Zwischenrufer zum Schweigen brachten – zusätzliche Schauspieler, die sich unters Publikum gemischt hatten. Aber jedes Mal, wenn der Schauspieler auf die Bühne kam, der die Einleitung gesprochen hatte, verlor sich Marcus in dessen Gebaren.
    Der Alte spielte Orcus den Dämonenkönig mit einer solchen Anmutung von Bösartigkeit, dass man leicht vergaß, dass alles nur ein Schauspiel war. Als Aleren Menschentod das Drachenschwert schwang und dem Dämonenkönig Blut über die Brust strömte, musste sich Marcus davon abhalten, nach seiner Waffe zu greifen.
    Am Ende triumphierte den Mahnungen des Schauspielers zum Trotz das Gute, die Bösen waren vernichtet, und die Spieler verbeugten sich. Marcus war vom Applaus überrascht; die Menge hatte sich verdoppelt, ohne dass es ihm aufgefallen war. Selbst Yardem schlug seine tellergroßen Handflächen zusammen und grinste. Marcus wühlte eine Silbermünze aus der Börse hervor, die unter seinem Hemd hing, und warf sie auf die Bretter. Sie landete mit einem harten Klimpern, und einen Augenblick später lächelte Orcus der Dämonenkönig und verbeugte sich in einem kleinen Regenguss aus Münzen. Für ihre Großzügigkeit und Freundlichkeit dankte er ihnen mit einer Wärme, die dafür sorgte, dass Marcus unwillkürlich die gesamte Menschheit für großzügig und freundlich hielt.
    Die frühe Herbstsonne sank tiefer, und die bleiche Stadt leuchtete golden. Das Publikum löste sich langsam aus dem Umkreis der Bühne, brach in Zweier- oder Dreiergruppen über den Anger hinweg auf. Marcus setzte sich auf eine Steinbank unter einer Eiche mit gelben Blättern und sah zu, wie die Schauspieler ihren Wagen wieder zusammensetzten. Ein Rudel aus Erstgeborenenkindern fiel über die Truppe her und wurde grinsend weggescheucht. Marcus lehnte sich zurück und betrachtete den sich verdüsternden Himmel durch die Äste des Baumes.
    »Ihr habt einen Plan«, sagte Yardem.
    »Tatsächlich?«
    »Ja, Herr.«
    Es war ein schönes, kleines Stück gewesen. Nicht viele

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