Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
Vom Netzwerk:
meinen Sachen verging, verging sich an mir.
    Das Telefon läutete, es war der alte Herr von der Rezeption. »Ah, Herr Stefan, ich hatte vergessen zu sagen, daß jemand für sie hier war.«
    »So? Wer denn?«
    »Ihr Freund aus Italien.«
    »Ach ja?«
    »Haben Sie seine Nachricht nicht gefunden?«
    »Nein.«
    »Merkwürdig. Er fragte mich noch nach Ihrer Zimmernummer.«
    »Ja, schon gut. Hat er seinen Namen hinterlassen?«
    »Er hat sich hier ein Zimmer genommen, da muß er sich eingetragen haben, einen Moment bitte.« Als er sich einige Sekunden später wieder meldete, klang er verwundert. »Nein, er hat sich noch nicht eingetragen, wie ich sehe. Ach, jetzt fällt es mir wieder ein, es war gerade soviel los, und da wollte er lieber später noch einmal kommen. Er ist jetzt ausgegangen, aber heute abend wird er wohl wieder da sein.«
    »Das denke ich auch. Vielen Dank.«
    Grinsend legte ich auf. Mein Freund aus Italien! Eines mußte man ihnen lassen, sie waren nicht untätig und vergeudeten keine Zeit.
    Ich fühlte mich immer noch ganz bleiern von dem schweren Mittagessen und dem vielen Wein und goß mir ein Wasserglas voll von dem Hennessy ein, den Jeanette mir im Flugzeug vermacht hatte. Mein italienischer Freund hatte die Flasche zum Glück unangerührt gelassen. Ich leerte das Glas in wenigen Zügen, und der Druck in meinem Kopf ließ sofort nach.
    Dann zog ich Jeanettes Adreßbuch aus meiner Innentasche und nahm es genauer unter die Lupe. Ich hatte nämlich so eine Ahnung, daß es ihnen um dieses Büchlein gegangen war. Es standen Adressen von Italienern in so gut wie jeder europäischen Großstadt, die einen Flughafen hatte, darin, ja sogar in einigen außereuropäischen Städten: Beirut, Singapur, Hongkong. Und in den USA: New York, Los Angeles, San Francisco. Ein paar Adressen waren durchgestrichen und dann meist durch neue ersetzt, andere waren mit einem Fragezeichenversehen. Die einzige Stadt, die gar nicht vorkam, war Amsterdam selbst.
    Darum ging es also. Um ein in rotes Leder gebundenes kleines Adreßbuch mit Namen von Italienern, das einer Stewardess gehört hatte, die unterdessen ermordet worden war. Und deren Leiche verschwunden war. Aber zum Leidwesen ihres Mörders – oder ihrer Mörderin? – war auch ihr Adreßbuch verschwunden.
    Ich hatte einen kardinalen Fehler gemacht, als ich die Blumen in ihrem Zimmer liegen gelassen hatte, aber sie hatten mindestens genauso sehr gepatzt, als sie dieses wichtige Büchlein nicht gleich an sich nahmen, nachdem sie Jeanette umgebracht hatten. Eins zu eins. Sie hatten mein ganzes Zimmer auf den Kopf gestellt und nichts gefunden. Keine Frage, daß sie nicht so schnell aufgeben und wiederkommen würden. Sie hatten den Vorteil, daß sie dank Jeanette wußten, wer ich war. Ich hatte keine Ahnung, wer sie waren, würde aber sicher bald die Gelegenheit erhalten, ihre Bekanntschaft zu machen. Ich beschloß, auf der Hut zu sein und keine unnötigen Risiken einzugehen. Die Sache begann mir allmählich Spaß zu machen.
     
    Nachdem ich wieder etwas Ordnung im Zimmer hergestellt hatte, rief ich Annette an, um ihr zu sagen, daß ich gerne zum Essen kommen würde. Sie klang verpennt, ich hatte sie wahrscheinlich aus ihrem Mittagsschlaf geläutet. Danach ging ich zu einer Bank in der Leidsestraat und eröffnete ein Konto. Bis jetzt hatte ich meine gesparten Kronen mit mir herumgetragen, aber das erschien mir jetzt, da ich die Adreßbuchsucher auf den Fersen hatte, nicht mehr ratsam.
    Am Waterlooplein war ein Café, das als eine Art Telefon-und Nachrichtenzentrale für die Flohmarkthändler diente, die sichdort auch mit ihren Kunden und An- und Verkäufern trafen. Ich hatte im Knast eine Weile mit einem Schrott- und Lumpenhändler namens »Kahler Kees«, alias Bram Koudintvuur, die Zelle geteilt, der damals wegen Hehlerei einsaß. Wir entwickelten in der Zeit eine große Bewunderung füreinander, die um so größer wurde, je weiter sich unsere religiösen Standpunkte voneinander entfernten. Der Kahle Kees wurde nämlich im Gefängnis zum Theosophen, obwohl ich ihn mit glühenden Argumenten davor zu bewahren versuchte. Er hatte sich ein Foto von Krishnamurti über seine Pritsche gehängt, ich eines von Thelonious Monk. Wir wurden uns einig, daß Monk eher wie ein Prophet und Murti eher wie ein Jazzmusiker aussah, und so tauschten wir schließlich die Fotos aus und sprachen nur noch von Krishna Monk und Thelonius Murti. Abgesehen vom Debattieren bestand unser Hauptzeitvertreib im

Weitere Kostenlose Bücher