Dolly - 01 - Dolly sucht eine Freundin
wenn sie eine erwischte. Aber nein, Evelyn strich die Maus schnell von ihrem Programm, weil sie selbst Angst vor Mäusen hatte. Mistkäfer und Regenwürmer mochte sie zwar auch nicht, aber die ließen sich vielleicht nach dem Fangen in eine Streichholzschachtel tun, damit man sie nicht zu lange anzufassen brauchte.
Ja, das ging sicher. Und sie konnte auch Marlies’ Farbstifte herausnehmen und in Alices Fach verstecken – das würde ein Spaß werden. Und sie konnte auch ein oder zwei von Marlies’ Büchern in Dollys Fach legen. Und wie freundschaftlich sie mit Marlies tun würde, wenn diese Streiche entdeckt würden!
Also ging Evelyn gleich in den Garten und begann nach Insekten zu suchen. Jenny, die eine begeisterte Gärtnerin war und im Schulgarten gern Hand anlegte, war höchst erstaunt, als Evelyn mit einem Pflanzenstecher in den Beeten herumstocherte.
“Was machst du denn da?” fragte sie. “Suchst du einen Knochen, den du vergraben hast?”
“Sei nicht albern”, antwortete Evelyn wütend, weil Jenny ihr in die Quere gekommen war.
“Kann ich nicht ein bißchen im Garten arbeiten? Du denkst wohl, du wärst die einzige?”
“Das nicht, aber was für eine Art Gartenarbeit machst du denn da?” forschte Jenny, die gern den Sachen auf den Grund ging.
“Ich lockere die Erde ein bißchen auf”, sagte Evelyn. “Sie ist so trocken.”
Jenny schnaubte verächtlich. Das konnte sie großartig und auf die verschiedensten Arten. Ihr gekonntes Schnaufen reservierte sie stets für Evelyn, Susanne und Marlies.
Evelyn stocherte verbittert zwischen den Pflanzen herum. Wenn sie Jenny doch jetzt einen Regenwurm in den Nacken setzen könnte! Aber wahrscheinlich würde die das nicht einmal stören!
Nach diesen Gedanken mochte Evelyn plötzlich keine Würmer mehr suchen. Sie entschied sich für Spinnen. Doch als sie im Holzschuppen eine große sah, hätte sie beinahe selbst Reißaus genommen! Immerhin, es war eine so schöne große – haargenau richtig für das Pult von Marlies!
Mit viel Mühe gelang es Evelyn, die Spinne zu fangen, obgleich sie wie Espenlaub zitterte, als sie einen Blumentopf über das Tier stülpte. Es gelang ihr, die Spinne in eine kleine Schachtel zu sperren. Dann schlich sie in den Gemeinschaftsraum, um die Schachtel mit der Spinne in ihrem Schrankfach zu verstecken, bis der richtige Augenblick heran war. Sie kam sich sehr klug vor.
Ach Abend brachte sie das Gespräch auf Spinnen. “Heute bin ich mit dem Kopf in ein Spinnennetz geraten”, erzählte sie. “Es war ein ekelhaftes Gefühl, kann ich euch sagen. Spinnen sind mir widerlich.”
“Mein Bruder Michael hatte einmal eine zahme Spinne”, fing Alice an, die bei jeder Gelegenheit eine Familiengeschichte zum besten geben konnte. “Sie lebte in unserem Gewächshaus, und wenn meine Mutter abends das Farnkraut goß, kam sie immer hervorgekrochen, um einen Schluck zu trinken.”
“Igittegit!” rief Marlies schauernd. “Ich fürchte mich schrecklich vor Spinnen.”
“Du bist ein Riesenschaf”, sagte Alice, die immer noch wegen des zerbrochenen Rahmens ärgerlich war. “Ich hätte größte Lust, eine Riesenspinne zu fangen und sie dir in den Nacken zu setzen!”
Marlies wurde blaß. “Ich würde in Ohnmacht fallen, wenn du das tätest!” rief sie.
“Feigling!” sagte Alice. “Warte nur, bis ich eine Spinne kriege!”
Evelyn schwieg – aber sie frohlockte! Besser konnte es nicht gehen! Alice hatte mehr gesagt, als sie je gehofft hatte – und vor allem: Die ganze Klasse hatte es gehört. Es war einfach wundervoll! Ich werde bis Montag warten, wenn Alice und Dolly mit dem Aufräumen des Klassenzimmers an der Reihe sind, überlegte sie. Dann mache ich es. Ich werde es ihnen schon zeigen!
Als der Montag heran war, wartete Evelyn den richtigen Zeitpunkt ab. Sie und Marlies gingen jetzt stets miteinander – zur Überraschung und zum höchsten Erstaunen von Dolly.
Alice und Betty. Wie konnte Marlies sich mit dieser schrecklichen Evelyn anfreunden. Und weshalb hängte Evelyn sich derart an Marlies? Es schien der ganzen Klasse merkwürdig.
Evelyns Chance kam, und sie ergriff sie: Am Nachmittag, zehn Minuten vor Beginn des Unterrichts, wurde sie in den Gemeinschaftsraum geschickt, um etwas zu holen. Sie beeilte sich, stürzte dann mit ihrer Schachtel ins Klassenzimmer, öffnete sie und ließ die große, langbeinige Spinne in das Pult von Marlies krabbeln. Das Insekt huschte sofort in eine dunkle Ecke und verkroch sich dort.
Dann rannte Evelyn
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