Dolly - 01 - Dolly sucht eine Freundin
ihren Ohren kaum.
“Mutter kommt wirklich?” fragte sie immer wieder. Frau Greiling empfing Herrn und Frau Hoppe in ihrem Wohnzimmer. “Ich freue mich, daß ich Ihnen Gutes berichten kann”, sagte sie. “Dr. Rieder, der Chirurg ist, war zufällig in der Nähe, und wir konnten ihn sofort herbeirufen. Er ist der Vater von Dolly, einer Mitschülerin Susannes.”
“Ach, Dolly Rieder?” sagte Frau Hoppe und holte einen Brief aus ihrer Tasche. “Ich bekam heute ein ganz merkwürdiges Schreiben von ihr, Frau Greiling. Sie scheint zu glauben, daß sie an Susannes Krankheit schuld wäre, aber das ist sie natürlich nicht. Doch was sie sonst schreibt, bestürzt mich. Könnten wir wohl Dolly rasch sprechen?”
Frau Greiling las den Brief. Sie sah sehr ernst aus. “Da ist irgend etwas rätselhaft”, erklärte sie. “Weshalb sollte Susanne darauf bestehen, daß sie keine Schwester hat?”
“Ich weiß nicht”, sagte Frau Hoppe nachdenklich. “Seit unser Baby kam, war Susanne so merkwürdig. Sie wollte das, Schwesterchen gar nicht sehen. Und einmal, als sie glaubte, ich bemerkte es nicht, hat sie das arme Ding grausam gekniffen.”
“Haben Sie noch mehr Kinder;” fragte die Direktorin.
“Nein”, sagte Frau Hoppe. “Susanne war schon zwölf, als die Kleine geboren wurde. Bis dahin war sie das einzige Kind. Wir haben Susanne nicht verwöhnt – aber sie mußte uns mit niemandem teilen, ehe das Baby kam, und ich habe manchmal schon überlegt, ob sie vielleicht eifersüchtig ist.”
“Natürlich ist sie das!” rief Frau Greiling plötzlich. “Wahrscheinlich hängt Susanne sehr an Ihnen, Frau Hoppe, und will Ihre Liebe ganz für sich allein haben!”
“Nie hat sie ein Wort davon zu mir gesagt”, sagte Frau Hoppe. “Sie war nur verändert – nicht mehr so vergnügt wie früher. Ich dachte, es ginge vorüber. Als das nicht der Fall war, haben mein Mann und ich überlegt, daß es am vernünftigsten wäre, Susanne in ein Internat zu geben. Ich war damals nicht sehr gesund. Ich konnte mich gerade noch um das Baby kümmern, aber nicht auch noch um Susanne…”
“Ja, ich verstehe”, sagte Frau Greiling. “Doch von Susannes Standpunkt aus hat es wahrscheinlich ausgesehen, als wollten Sie sie nicht mehr haben, als würde sie fortgeschickt, um dem Baby Platz zu machen, das all Ihre Fürsorge in Anspruch nahm. Frau Hoppe, diese Eifersucht auf ein jüngeres Kind gibt es oft, und sie ist sogar natürlich. Sie dürfen Susanne keinen Vorwurf daraus machen. Wenn Sie Susanne überzeugen können, daß Sie sie noch genauso lieben wie früher, wird alles in Ordnung kommen. Soll ich jetzt Dolly rufen?”
Sie schickte nach Dolly. Die kam recht nervös herein; sie hatte Angst, was Frau Hoppe wohl sagen würde. Aber bald war sie beruhigt und erzählte alles, was sie wußte.
Frau Greiling sagte zu Frau Hoppe. “Ich glaube, das beste wäre, wenn Dolly noch vor Ihnen für ein paar Minuten zu Susanne hineinginge. Sie soll ihr sagen, daß Sie gekommen sind und daß Sie Ihr Baby zu Hause gelassen haben, um so schnell wie möglich bei ihr zu sein. Willst du gehen, Dolly?”
Dolly nickte. Plötzlich begriff sie Susannes ganze Not! Sie war einfach eifersüchtig auf ihre Schwester – so eifersüchtig, daß sie gar nicht zugeben wollte, sie hätte eine! Arme Susanne! Es war so schön, eine Schwester zu haben! Susanne ahnte gar nicht, wie glücklich sie darüber sein müßte!
“Ich erzähle es ihr”, sagte Dolly eifrig. “Und wenn Sie wieder fort sind, will ich alles tun, um Susanne zu überzeugen, daß ein Schwesterchen das Schönste ist, was man sich wünschen kann. Jetzt darf ich ein bißchen wieder gutmachen, was ich durch meinen Jähzorn angerichtet hatte.”
Dolly und Susanne
Dolly ging ins Krankenrevier hinauf. Von Frau Greiling hatte sie eine kurze Mitteilung an die Krankenschwester dabei: “Bitte lassen Sie Dolly ein paar Minuten zu Susanne, bevor deren Mutter kommt.”
Überrascht und nicht gerade erfreut öffnete die Schwester die Tür und ließ Dolly hinein, Auf Zehenspitzen ging Dolly ins Krankenzimmer. Es war ein hübscher Raum. Aus dem großen Fenster hatte man eine schöne Aussicht. Drei Betten standen darin. Im letzten Bett lag Susanne, blaß, aber mit glänzenden Augen.
“Hallo, Susanne”, sagte Dolly. “Ich hatte solche Sorgen um dich.
Geht es dir besser? Hat mein Vater dich gesund gemacht?” “Ja. Er ist nett”, sagte Susanne. “Ich fühlte mich am Samstag so
gräßlich, Aber das konnte ich doch niemandem
Weitere Kostenlose Bücher