Dolly - 02 - Wirbel in Klasse 2
sei sie die Schuldige. Sie fuhr erschreckt zurück. Herr Jung machte auf dem Absatz kehrt und hastete, vor sich hinmurmelnd, davon.
Er ist sehr unhöflich, dieser Mann, überlegte Mademoiselle. Ich bin freundlich zu ihm, und er hält mir die Faust unter die Nase. Nie wieder rede im auch nur ein Wort mit ihm!
Nur ein Mädchen war Augenzeugin dieses Zwischenfalles gewesen, und zwar Dolly. Sie eilte sogleich zu den anderen.
“Ich habe gesehen, wie Mademoiselle Dupont wild mit der Kleiderbürste auf Herrn Jung eingeklopft hat”, keuchte sie.
“Ihr hättet sehen müssen, wie wütend er war! Ach, laß es uns doch noch einmal machen, Alice. Der Trick mit der Kreide ist einfach prima!”
Einen gelungenen Streich noch einmal zu wiederholen ist immer ein Fehler. Alice wußte das, aber sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Trick auch an Mademoiselle Dupont zu versuchen.
“Wollen wir?” fragte sie Betty, und Betty nickte begeistert.
Die Mädchen bildeten einen Kreis um sie und betrachteten die rätselhafte unsichtbare Kreide.
Sie kicherten und lachten, als sie sich an die Musikstunde erinnerten, und vertrauten auch den Mädchen der ersten Klasse ihr Geheimnis an.
“Wer reibt die Kreide vor der Französischstunde am Nachmittag auf Mademoiselles Stuhl?” fragte Betty. “Alice und im können es nicht tun. Wir haben keine Gelegenheit, uns in dem Raum aufzuhalten. Wer hat Klassendienst?”
“Ich!” meldete sich Dolly. “Ich werde es tun. Gib mir die Kreide! Einfach auf den Stuhl aufreiben?”
Zehn Minuten vor dem Nachmittagsunterricht schlüpfte Dolly ins Klassenzimmer. In dieser Woche war sie an der Reihe, den Klassenschrank in Ordnung zu halten, die Tafel zu säubern, für genügend Kreide zu sorgen und zu sehen, ob Lappen und Schwamm vorhanden waren.
Es kostete sie nur ein paar Minuten, diese Dinge zu erledigen. Dann ging sie zu dem Stuhl, der hinter dem Katheder stand und nahm die Kreide aus der Tasche. Sie wollte gerade beginnen, die Sitzfläche einzureiben, als ihr ein übermütiger, Gedanke durch den Kopf fuhr:
Könnte sie nicht irgendein kurzes Wort schreiben, das dann auf dem Kleid von Mademoiselle erschiene? Was würde das für einen Begeisterungssturm unter den Mädchen entfesseln! Aber es müßte natürlich ein sehr kurzes Wort sein.
Ich werde ganz einfach “Igitt” schreiben, sagte sich Dolly erfreut. Und zwar in Spiegelschrift, damit es richtig herum auf der Rückfront von Mademoiselle erscheint.
Ganz sorgfältig und vorsichtig schrieb sie also mit der Kreide auf die Sitzfläche des Stuhls “Igitt” und setzte noch ein Ausrufungszeichen dahinter.
Sich vorzustellen, daß Mademoiselle mit diesem Wort auf dem Kleid herumlaufen würde – das würde ein Gelächter unter den Mädchen auslösen!
Die Glocke läutete zum Unterrichtsbeginn. Dolly steckte die Kreide ein und ging auf ihren Platz.
Sie konnte sich kaum das Lachen verbeißen, als die Mädchen hereinkamen.
“Hast du’s getan? Hast du Zeit genug gehabt?” flüsterten sie, und Dolly nickte.
Dann erschien Mademoiselle Dupont, offensichtlich in bester Laune. Sie setzte sich sofort. Da sie winzige Füße hatte, stand sie nicht besonders gern.
Die Mädchen beobachteten sie aufmerksam. Wann würde sie aufstehen? Dolly konnte es kaum erwarten – was würden die anderen sagen, wenn sie sähen, was sie auf den Stuhl geschrieben hatte?
Jenny wurde an die Tafel gerufen, um eine Vokabel anzuschreiben.
“Schreib das Wort falsch”, zischte ihr Dolly zu. “Dann wird sie aufstehen und es verbessern!”
So schrieb die sonst so gescheite Jenny zu Mademoiselles, Erstaunen einen geradezu lächerlichen Fehler in das Wort hinein. Gründlich verärgert schickte Mademoiselle Jenny auf ihren Platz zurück und erhob sich endlich, um das Wort eigenhändig zu verbessern.
Die Klasse rang nach Atem, als sie Mademoiselles Sitzfläche ansichtig wurde. Alle waren ganz fassungslos und wußten nicht, ob sie amüsiert oder erschrocken sein sollten. Auf ihrem engsitzenden Kleid trug Mademoiselle in rosa Farbe den Schriftzug “Igitt”.
Selbst Dolly war überrascht, wie klar es zu erkennen war, und fühlte sich sehr unbehaglich.
Einen rosa Fleck auf jemandes Kleidung erscheinen zu lassen, das war etwas ganz anderes gewesen – wie aber sollte man erklären, wie ein “Igitt!” daraufkam?
Die anderen hatten den gleichen Gedanken.
“Dolly, du Kamel! Stell dir vor, sie kommt nachher auf dem Flur den anderen Lehrerinnen unter die Augen, und die sehen, was hinten auf dem
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