Dolly - 02 - Wirbel in Klasse 2
die unsichtbare Kreide heimlich aus.
Betty nahm einen Stuhl mit einem Sitz aus Holz und rieb die geheimnisvolle rosa Kreide darauf.
“Schau nur”, sagte sie, “man kann keine Spur davon entdecken, nicht wahr?”
Alice überprüfte den Stuhl genau, indem sie ihn hin und her drehte. “Es funktioniert großartig”, sagte sie. “Nichts ist zu sehen, rein gar nichts! Merkwürdig – man reibt die Kreide darauf, und im selben Augenblick scheint sie schon zu verschwinden. Sie ist wirklich unsichtbar, Betty! Nun setze dich mal hin, und wir wollen sehen, was dann geschieht.”
Betty setzte sich auf den Stuhl und blieb eine Minute sitzen. Die Kreide mußte erst leicht angewärmt werden, wenn sie sichtbar werden sollte.
Als Betty feierlich auf dem Stuhl saß, von Alice beobachtet, steckte Evelyn den Kopf zur Tür herein; sie suchte Diana.
“Was macht ihr denn da?” erkundigte sie sich neugierig.
“Nichts”, sagte Alice. “Verschwinde. Diana ist nicht hier.”
“Aber was macht ihr denn da?” fragte Evelyn beharrlich, weil sie irgend etwas argwöhnte, wenn sie auch nicht wußte, was es war. “Warum sitzt Betty auf diesem unbequemen Stuhl, und noch dazu mitten im Zimmer?”
“Alice, du sollst sofort zu Spitznase kommen!” rief plötzlich eine Stimme, und Jenny schaute herein. “Schnell! Sie ist außer sich vor Wut über irgend etwas. Es geht um deinen Aufsatz, glaube ich.”
“Du meine Güte!” sagte Alice und schoß davon. “Ich bin gleich wieder da!”
Evelyn betrachtete Betty interessiert, die nach wie vor auf ihrem Stuhl saß. “Müde?” erkundigte sie sich. Betty machte ein finsteres Gesicht. Sie kam sich lächerlich vor. Am liebsten hätte sie Evelyn ein Buch an den Kopf geworfen, aber sie traute sich nicht aufzustehen, weil sie mit Sicherheit ein schönes Kreidemuster auf dem verlängerten Rücken haben würde. Und sie wollte vorläufig noch niemanden in ihren Plan einweihen. “Du scheinst wohl plötzlich gelähmt zu sein, du armes, armes Geschöpf” höhnte Evelyn. “Kannst gar nicht aufstehen, was? Oder plagt dich das Zipperlein?”
Zu Bettys Erleichterung wurde Evelyn bald müde, sie zu necken. Sie ging hinaus, um weiter nach Diana zu suchen.
Jenny grinste und trollte sich auch.
Betty stand auf und zog ihren Rock nach vorn. Sie kicherte begeistert – sie hatte ein leuchtend rosa Muster darauf. Wie großartig diese unsichtbare Kreide wirkte, wenn sie erst einmal warm geworden war!
Alice kam angeflitzt. “Funktioniert es?” rief sie und gickerte vor Vergnügen, als Betty ihr den rosa Fleck zeigte.
“Prima! Das probieren wir morgen bei Herrn Jung aus!”
“Wollen wir jemanden ins Vertrauen ziehen?” fragte Betty.
“Keinen einzigen Menschen”, erwiderte Alice. “Sonst wird es vorher ausgeplaudert.”
Weder Betty noch Alice waren sehr aufmerksam, als Fräulein Pott mit der Klasse eine Arbeit vorbereitete. “Pöttchen” – wie die Mädchen heimlich gern sagten – blickte hin und wieder argwöhnisch auf die beiden Verschwörerinnen und fragte sich, was sie wohl im Schilde führten.
Pöttchen kannte die Anzeichen. Sie warnte Fräulein Parker: “Diese zwei aus Ihrer Klasse, Alice und Betty, hecken irgend etwas aus, liebe Kollegin. Passen Sie morgen gut auf!”
Aber Fräulein Parker konnte weder in der ersten, noch in der zweiten Stunde Verdächtiges wahrnehmen. Nur Alice und Betty machten einen unruhigen Eindruck. Doch das war nichts Besonderes, vor allem bei Alice nicht.
In der letzten Stunde vor der großen Pause hatten sie Musikunterricht.
“Bitte, Fräulein Parker”, meldete sich Betty, “heute muß ich alles für den Musikunterricht vorbereiten. Darf ich schon gehen?”
Fräulein Parker warf einen Blick auf die Uhr. “Na, schön. Es sind nur noch vier Minuten bis zum Schluß.”
Betty flitzte hinaus, nachdem sie Alice einen schnellen Blick zugeworfen hatte. Sie rannte den Korridor entlang zum Musikzimmer. Es war kein Mensch darin. Herr Jung pflegte sich glücklicherweise immer ein paar Minuten zu verspäten.
Betty sauste zum Klavierstuhl. Er war rund und hatte einen lederbezogenen Sitz, den man rundherum drehen konnte.
Betty holte ihr Stück Kreide heraus und rieb den Sitz kräftig damit ein.
Sie war überzeugt, daß nicht das winzigste Fleckchen des Sitzes ohne Kreide blieb, obwohl sie natürlich nichts sehen konnte. Es handelte sich tatsächlich um unsichtbare Kreide!
Dann drehte sie den Stuhl ganz herunter, so daß er auf jeden Fall zu niedrig für Herrn Jung war. Immer wenn er
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