Dolly - 03 - Ein Pferd im Internat
schilderte das prachtvolle Schulgebäude mit seinen Türmen an allen vier Ecken, dem Schulhof in der Mitte und dem großen Schwimmbad mit Sprungbrettern und Wasserrutschbahn. “Und in allen vier Türmen befinden sich außer den Schlafsälen auch Gemeinschaftsräume, wo wir spielen können, wenn wir keinen Unterricht haben”, sagte Dolly. “Unsere Hausvorsteherin ist Fräulein Pott. Übrigens – welchem Turm bist du zugewiesen?”
Sie erhielt keine Antwort. Dolly sah sie entrüstet an. Das war ja die Höhe: Marilyn war fest eingeschlafen und hatte kein Wort von dem gehört, was sie die ganze Zeit erzählt hatte!
Wieder auf Burg Möwenfels!
Empört beschloß Dolly, kein Wort mehr zu Marilyn zu sagen. Sie betrachtete die Amerikanerin eingehend. Sie sah gut aus. Ihr platinblondes Haar glänzte wie eine Mischung aus Silber und Gold. Ob es gefärbt war? Durften sich in Amerika Fünfzehnjährige schon die Haare färben lassen?
Schade, daß sie nach Möwenfels kommt, dachte Dolly, als sie Marilyns sorgfältig gepudertes Gesicht mit den gebogenen Wimpern und rosigen Wangen aus der Nähe anschaute. Sie paßt nicht zu uns. Evelyn wird sie wahrscheinlich mögen. Aber Evelyn Lessing ist ja stets vernarrt in Menschen wie diese Marilyn!
Herr Rieder sah die schlafende Marilyn an und lächelte Dolly kameradschaftlich zu. Sie lächelte zurück. Sie hätte gern einmal Marilyns Eltern gesehen. Eine solche Tochter mußte doch schwierig sein!
Dann gab sich Dolly einen Ruck. Vielleicht ist sie doch ganz nett! Sie kommt ja aus einem Lande, wo die Mädchen schneller heranwachsen als bei uns, dachte sie. Sie wollte nicht ungerecht sein. Also beschloß sie, abzuwarten und keine Vorurteile gegen sie zu hegen.
Ein Glück, daß Marilyn in eine höhere Klasse kam! Dann sah sie nicht allzuviel von ihr. Wenn sie nur nicht im Nordturm untergebracht wurde. Was sollte in diesem Fall Fräulein Pott von ihr denken, daß sie solch eine Bekannte hatte!
Sie dachte an Fräulein Potts gerade Art. Sie dachte an die die, empfindliche Hausmutter, die keine Ungezogenheit durchgehen ließ. Und sie dachte an Fräulein Peters, die sie als neue Klassenlehrerin bekommen würden und bei der sie schon öfter Unterricht gehabt hatten.
Nicht auszudenken! Sie bekommt Zustände, wenn Marilyn in ihrer Klasse landet! dachte Dolly, als sie sich Fräulein Peters mit ihrer rauben Stimme recht lebhaft vorstellte. Eigentlich doch schade, daß ich es nicht erleben kann, wie sie mit Marilyn fertig wird!
Als sie endlich in Möwenfels anlangten, war Dolly ziemlich müde. Sie hatten zweimal unterwegs eine Essenspause eingelegt. Marilyn war dann aufgewacht und hatte sich gewandt mit Herrn und Frau Rieder unterhalten.
Frau Rieder war zu ihr ebenso höflich und freundlich wie zu jedermann. Herr Rieder, der für Menschen wie Marilyn kein Verständnis hatte, sprach nur mit Dolly und ließ das amerikanische Mädchen links liegen.
“Dein Vater ist wundervoll”, flüsterte Marilyn Dolly plötzlich zu. “Diese großen Augen und die schwarzen, buschigen Brauen! Wundervoll!”
Dolly hätte am liebsten laut gelacht. Sie hätte ihrem Vater gar zu gern von seinen “schwarzen, buschigen Brauen” erzählt, aber es bot sich keine Gelegenheit.
“Erzähle mir ein bißchen von deiner Schule”, sagte Marilyn liebenswürdig, als Dolly schweigsam blieb.
“Ich habe dir schon alles erzählt”, gab Dolly schnippisch zurück, “aber es muß dich gelangweilt haben, denn du bist darüber eingeschlafen.”
“Das ist wirklich allerhand, entschuldige bitte”, sagte Marilyn.
“Und nun kann ich dir nicht mehr erzählen, denn wir sind in Möwenfels angelangt.” Dollys Augen glänzten vor Freude.
Das Auto fuhr durch das Portal, das Dolly immer wie der Eingang zu einem Schloß erschien.
Vor der Auffahrt hielten viele Wagen, und Mädchen aller Altersstufen liefen umher, mit Handkoffern und Tennisschlägern beladen.
“Komm schon”, sagte Dolly zu Marilyn. “Wir steigen jetzt aus. Ach wie herrlich, daß ich wieder hier bin! Hallo, Britta! Hallo, Irene, wie steht’s mit deinem Gesundheitsattest? Tag, Jenny. Hast du von Susanne gehört? Sie steht unter Ziegenpeter-Verdacht. Schade, nicht?”
Jenny erblickte Marilyn, die soeben aus dem Auto stieg, und starrte sie an, als könnte sie ihren Augen nicht trauen: diese Frisur und dieses platinblonde Haar! “Nun sag bloß: Wer ist das? Eine Verwandte von dir?” fragte sie.
“Das fehlt mir gerade! Nein! Sie ist eine neue Schülerin.” “Nicht zu
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