Dolly - 08 - Eine aufregende Mitternachtsparty
mißtrauisch an, beschloß dann aber, zum Frühstück zu gehen. Während sie ihren Tee trank, wanderte ihr Blick immer wieder beunruhigt abwechselnd zur Tür und zu Yellas leerem Platz. Yella erschien nicht.
„Soll ich mal nachsehen?” flüsterte Judith und schlich sich hinaus, ohne Johannas Antwort abzuwarten. Fräulein Pott sah bereits mit gerunzelter Stirn zu ihrem Tisch hinüber.
Judith rannte die Treppen zum Schlafsaal hinauf und riß die Tür auf. Es war, wie sie befürchtet hatte: Yella lag halb angezogen auf dem Bett und schlief fest.
„Bist du verrückt geworden? Wie kann man nur so verschlafen sein!” rief Judith entsetzt und zerrte Yella hoch. „Los, wo ist dein Rock? Hier, zieh ihn an. Ich mache schnell dein Bett, aber nur heute, verstehst du? Glaub ja nicht, daß das hier so weitergehen kann mit dir. Da, dein Kamm, kämm dich. Herrgott noch mal, merkst du nicht, daß du zwei verschiedene Strümpfe anhast?”
Judith durchsuchte Yellas Schrank und förderte den passenden Strumpf zutage. Yella tat automatisch, was Judith ihr befahl, und zehn Minuten später stand sie endlich fertig angezogen da und ließ sich von Judith die Treppe hinunterziehen. Unten strömten die Mädchen aus dem Speisesaal.
„Da haben wir den Salat, du wirst nichts mehr bekommen, das Frühstück ist vorbei!”
„Das macht doch nichts”, sagte Yella freundlich, „ich bin es gewohnt, nicht zu frühstücken. Ich werde morgens immer nicht pünktlich fertig, weißt du.”
„Was du nicht sagst!” spottete Judith. „Darauf wäre ich überhaupt nicht gekommen!”
„Bist du verrückt geworden,
wie kann man nur so verschlafen sein!“
Die Stunden am ersten Schultag gingen schnell herum. An diesem Morgen nahm noch niemand den Unterricht wirklich ernst – weder die Lehrer noch die Schülerinnen. Es wurden Pläne für die letzten Wochen vor den Prüfungen gemacht, Themen festgelegt, Richtlinien ausgegeben und in Erinnerung gerufen, was man im ersten Halbjahr durchgenommen hatte.
Yella, die in der ersten Stunde noch schläfrig vor sich hin gedöst hatte, wurde von Stunde zu Stunde wacher und lebhafter, in der dritten Stunde merkten die Mädchen, daß sie keineswegs dumm war, in der vierten, daß sie eine ganze Menge wußte, in der fünften, daß sie mehr wußte als sie alle, und in der sechsten hielten einige sie bereits für ein Genie. Vor allem, was Fremdsprachen anging, war sie den meisten weit voraus. Fräulein Wagner, die ein wenig streng und unnahbar wirkende Klassenlehrerin der Vierten, hatte eine Vorliebe für gebildete junge Mädchen und freute sich über den Neuzugang. Sie hatte viel Verständnis für die Schwierigkeiten ihrer Mädchen und besaß ein warmes Herz. So hoffte sie auch, daß diese Yella, der alles zuzufliegen schien, eine Hilfe für diejenigen sein würde, die in einigen Fächern Schwierigkeiten hatten. Viel waren es nicht, die meisten würden die Prüfung ohne Mühe bestehen. Lediglich Ingrid und Judith machten ihr etwas Sorgen. Und so freute sie sich zu sehen, daß Judith und Yella offensichtlich gut miteinander auskamen.
Auch Felicitas war froh, daß sich zwischen den beiden eine Freundschaft anzubahnen schien, denn nun konnte sie sich wieder ganz ihren eigenen Freundinnen widmen: Steffi und Marja.
Gleich nach dem Mittagessen schleppte Marja die beiden Freundinnen zu ihrer Mutter. Frau Brosch war gerade dabei, mit den beiden Hausmädchen eine Inventarliste der Bett-und Tischwäsche aufzustellen, die Wäschestücke nach schadhaften Stellen abzusuchen und zu notieren, was ersetzt werden mußte. Marja fiel der Mutter um den Hals. Felicitas und Steffi musterten die schlanke, jung aussehende Frau scheu. So ähnlich mußte Frau Greiling, die Direktorin, ausgesehen haben, als sie noch jünger war. Marjas Mutter besaß die gleichen blauen Augen und den wachen, warmherzigen Ausdruck. Jetzt wandte sie sich lebhaft Felicitas und Steffi zu.
„Ich freue mich so, Marjas Freundinnen kennenzulernen!” sagte sie und schüttelte beiden die Hand. „Und ich hoffe, daß ihr oft bei uns zu Gast sein werdet, wenn wir erst eine eigene Wohnung haben. Ihr habt Marja sehr geholfen in der ersten schweren Zeit. Dafür möchte ich euch heute besonders danken!”
„Oh, das ist doch nicht nötig”, wehrte Felicitas verlegen ab. „Wir mochten Marja vom ersten Augenblick an gut leiden. Und wir freuen uns mindestens so wie Marja, daß Sie nun alle hier in Möwenfels beieinander sein können.”
„Ja, es war wirklich ein Glück
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