Dolly - 08 - Eine aufregende Mitternachtsparty
brauche dringend frische Luft und eine Gelegenheit, mich auszutoben. Das Stillsitzen bei dem dreistündigen Aufsatz heute morgen hat mich ganz kribbelig gemacht.” Irmgard blickte in komischer Verzweiflung zum Himmel auf. „Bei solchen Gelegenheiten fühle ich mich immer wie ein Galeerensklave.”
„Dann kann man dir ja nur wünschen, daß mal das Aufsatzthema ,Gedanken eines Galeerensklaven’ drankommt, damit du dich voll entfalten kannst”, meinte Judith.
„Okay, kommt mit. Zu viert macht es noch mehr Spaß.”
„Hoffentlich ist der Platz trocken genug. Wer holt den Ball?”
„Ich. Komm mit, Yella, dann lernst du gleich den Raum kennen, in dem die Sportgeräte aufbewahrt werden.” Judith zog Yella mit sich fort. „Holt ihr inzwischen die Schuhe. Meine stehen ganz oben links.”
„Und meine genau darunter.”
„Wird gemacht. Wir treffen uns auf dem Sportplatz.” Judith öffnete eine kleine Holztür direkt neben dem Eingang zum Ostturm, hinter der eine Treppe in den Keller führte. Es ging einen langen Gang entlang, in den nur spärliches Licht von draußen hereinfiel.
„Dies ist eine Abkürzung”, erklärte Judith. „Wir müssen durch den Heizungskeller.”
Sie führte Yella durch weitere Gänge und Türen, vorbei an Rohren und summenden Maschinen. Yella kam sich vor wie in einem Labyrinth.
„Pst, hör mal!” rief sie plötzlich aus.
„Was ist, hast du Angst vor Mäusen?”
„Nein, hör doch mal hin, da pfeift jemand!”
„Na und? Warum soll hier keiner pfeifen. Es wird der Hausdiener Pop sein, drüben in seiner Werkstatt, sie ist gleich neben dem Heizungskeller.”
„Ja – aber was er pfeift! Kennst du das Lied?” Yella war ganz aufgeregt.
„Keine Ahnung. Was ist so Besonderes daran?”
„Es ist ein argentinisches Volkslied. Unsere einheimische Köchin hat es immer gesungen. Daß man es sogar hier kennt…”
„Nun komm! Die anderen werden schon warten.”
„Horch doch mal, da pfeift einer!” rief Yella
Judith öffnete eine schwere Eisentür, und plötzlich standen sie auf einem hellen Gang, der ins Freie führte. Auf der rechten Seite kam man in den Geräteraum. Judith holte zwei Bälle aus dem Schrank und notierte die Entnahme auf einer Tafel neben der Tür.
„Daran mußt du denken, wenn du einmal allein hier hereinkommst, um dir etwas zu holen. Schreib hier auf die Tafel den Gegenstand, deinen Namen und die Klasse. Wenn du die Sachen zurückbringst, löschst du deinen Eintrag wieder.” Sie rannten zum Sportplatz hinüber, wo Irmgard und Ingrid schon mit den Schuhen warteten. Judith und Irmgard erklärten Yella abwechselnd die Grundregeln des Handballspiels, dann begannen sie die Bälle hin und her zu werfen und sich tüchtig warmzulaufen.
Als die übrigen Mädchen der Mannschaft zum Training erschienen, hatte Yella sich bereits recht gut eingespielt und hielt bei dem schnellen Tempo der anderen tapfer mit. Erschöpft und glücklich kehrte sie mit den neuen Freundinnen nach einer Stunde zur Burg zurück.
„Ich hätte nicht geglaubt, daß Handball mir soviel Spaß machen würde”, sagte sie zu Judith. „Glaubst du, daß ich bald in eine der Mannschaften aufgenommen werden kann?”
„Ganz sicher sogar. Du bist ausgesprochen begabt fürs Handballspielen. Du reagierst schnell und kannst gut fangen und zielen. Und im Laufen bist du auch nicht schlecht”, lobte Judith sie.
„Doch – ich glaube auch, daß du Erfolg haben wirst”, bestätigte Irmgard. „Gesetzt den Fall, daß die Spiele immer am Nachmittag und nicht am frühen Morgen stattfinden. Bei deiner morgendlichen Schlafmützigkeit möchte ich dich nicht um acht Uhr früh spielen sehen.” Ingrid und Judith lachten auf. Yella blieb abrupt stehen.
„Da ist es wieder!”
„Was?”
„Das Lied von vorhin.”
„Das scheint dich ja mächtig aufzuregen. Du hast doch kein
Heimweh?”
„Nein, es ist nur so eigenartig, es hier zu hören.”
Sie gingen auf die Gerätekammer zu, und Judith öffnete die Tür.
Plötzlich erschien hinter ihnen im Gang ein junger Mann mit dunklen Augen und blauschwarzem Haar. Seine Haut war auffallend braun. Er starrte die Mädchen überrascht an, dann blieb sein Blick für eine Sekunde an Yella hängen, als wolle er eine Frage an sie richten. Er besann sich aber, nickte ihnen flüchtig zu, murmelte etwas und ging nach draußen.
„Komischer Typ. Ich habe ihn hier noch nie gesehen. Was der wohl in unserem Keller zu suchen hat?” fragte Irmgard kopfschüttelnd.
Am Ende des Ganges knarrte
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