Dolly - 08 - Eine aufregende Mitternachtsparty
wohlbekannten leidenden Ausdruck, der das harte Schicksal anklagt, das mit unserem Evelynchen so böse umgegangen ist.”
„Du bist ganz schön boshaft”, mahnte Susanne lächelnd.
„Es gibt Menschen, die ändern sich nie. Evelyn gehört dazu. Ich bin gespannt, was sie uns heute wieder erzählt. Kommt!” Dolly steuerte quer durch den Raum auf die hübsche, aber verwöhnte Evelyn zu. Die Freundinnen folgten ihr.
„Grüß dich, Evelyn! Ich hätte dich kaum wiedererkannt! Tolle Haarfarbe!”
„Nicht wahr? Das Neueste vom Neuen. Ich habe bei uns einen phantastischen Friseur entdeckt, einen wahren Künstler! Aber was nützt mir das hier in diesem Kaff”, fuhr sie wehleidig fort. „Hier gibt es ja allenfalls einen Dorffriseur für die Bauersfrauen, der nicht einmal einen vernünftigen Haarschnitt zustande bringt.”
„Eigentlich ein bißchen schade um deine schönen blonden Locken, findest du nicht?” meinte Susanne.
„Überhaupt nicht”, empörte sich Evelyn. „Ich kann ja nicht ewig als Rauschgoldengel herumrennen. Schließlich möchte man ja mal erwachsen werden und sich seinem Alter entsprechend kleiden und frisieren.”
„Aha!” sagten Will und Clarissa wie aus einem Munde.
„Ja”, ereiferte sich Evelyn, „als Schulmädchen auf Burg Möwenfels schwärmte ich natürlich noch für rosa Tüll und goldene Locken. Aber jetzt – man muß mit der Mode gehen, man hat doch schließlich andere Interessen, möchte ausgehen, sich amüsieren und von seinen Partnern nicht für bäuerlich gehalten werden.”
„Interessant.” Dolly sah Evelyn mit gespieltem Ernst durchdringend an. „Du sprichst von Partnern, und ich entdecke da so einen Hauch von Glückseligkeit auf deinem Gesicht. Darf man schon gratulieren?” Evelyn wurde rot.
„Ach Unsinn. Allerdings habe ich da heute auf der Fahrt jemanden kennengelernt, nun ja, ich möchte mich nicht näher dazu äußern, aber wir verstanden uns himmlisch – vom ersten Augenblick an.”
„Wie aufregend!” Will hatte alle Mühe, nicht herauszuplatzen. „Bitte erzähl doch, ich finde das irrsinnig spannend!”
„Ja, bitte, Evelyn, wir verraten auch keiner Menschenseele etwas, das versprechen wir dir. Wer ist es, wird er dich hier besuchen?”
„Nun, er hat es mir wenigstens versprochen.” Evelyn sah etwas unsicher von einem zum anderen. Zu oft hatten die Mädchen sie schon durch den Kakao gezogen, sie mußte vorsichtig sein. „Schließlich ist es nichts weiter als eine flüchtige Bekanntschaft, was soll ich groß darüber sagen. Wenigstens ist er ein hochgebildeter und sehr feinfühliger Mensch. Man spürt so etwas…”
„Sicher, so etwas spürt man sofort”, sagte Dolly ernst. „Bestimmt ist er aus einer sehr guten Familie, nicht wahr?”
Evelyn zögerte.
„Eh – na, also warum soll ich nicht darüber sprechen. Du hast recht, er ist aus einer allerersten Familie.”
„Von Adel? Bestimmt ein Baron, ja?” fragte Clarissa mit kunstvoll aufgerissenen Augen. „Oder sogar mehr? Ein Graf?”
Evelyn konnte ihr süßes Geheimnis nicht länger bei sich behalten, sie vergaß alle Vorsicht.
„Es ist ein Prinz. Ein Fürst von Brunerowitsch”, hauchte sie mit vor Ehrfurcht zitternder Stimme.
„Das ist nicht wahr! Wirklich und wahrhaftig? Ein echter Prinz, der imstande wäre, das Dornröschen hinter seiner Dornenhecke von Schicksalsschlägen hervorzuholen und zu trösten?” rief Dolly aus. „Das wäre ja märchenhaft, Evelyn!”
„Nicht doch”, wehrte Evelyn ab. „Du übertreibst. Wer weiß, ob ich ihn jemals wiedersehe. Jedenfalls haben wir einen zauberhaften Tag miteinander verbracht. Er war so verständnisvoll, ein wunderbarer Zuhörer! Ich werde immer voller Dankbarkeit an diese Fahrt zurückdenken”, sagte Evelyn feierlich.
„Er kommt bestimmt”, meinte Dolly zuversichtlich. „Wenn ihr euch so prächtig verstanden habt – und wenn er es dir versprochen hat!”
„Meinst du wirklich?”
„Aber sicher. Sag uns vorher Bescheid, wir werden dann eine extra gute Torte backen. Nicht wahr, Kinder?”
Susanne, Will und Clarissa nickten eifrig. Evelyn sah sie dankbar an. Plötzlich wurden ihre Augen schmal, die Röte wich ebenso rasch aus ihrem Gesicht, wie sie aufgeflammt war. Die Mädchen sahen sich irritiert um. Was mochte Evelyn so verstört haben?
„Sandra!” rief Susanne überrascht aus. „Du meine Güte…”
In der Tür war Evelyns Nebenbuhlerin erschienen, ein ebenso verwöhntes Mädchen aus vornehmem Haus, deren Freundschaft Evelyn so lange gesucht
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