Dolly - 11 - Hochzeit auf Burg Moewenfels
rüttelte an den Fensterläden, raschelte im trockenen Laub des Efeus unter dem Fenster. Ich freue mich auf den Frühling, dachte Dolly. Und auf den Sommer. Wie viel Spaß werde ich mit den Mädchen wieder haben! Aber wie viele Probleme, wie viele Aufgaben werden auch auf mich warten. Lieber Gott, gib mir Kraft, sie zu lösen
– und die nötige Portion Glück dazu!
Dolly wandte sich ihren Koffern zu. Bald hatte sie alles ausgepackt und in Schrank und Schubladen verteilt. Auf den Nachttisch kam das Bild von Klaus, auf den kleinen Schreibtisch neben dem Fenster das der Eltern und von Felicitas und das Foto ihrer Freundin Susanne, die jetzt weit weg von Möwenfels studierte, und deren kleine Schwester Vivi nun zu Dollys Schützlingen gehörte.
So, fertig. Dolly sah sich noch einmal um, dann lief sie aus dem Zimmer ins Erdgeschoß hinunter. Wenn sie mit der Hausmutter noch einen Tee trinken wollte, mußte sie sich beeilen, bald würden die ersten Wagen vor dem großen Tor halten.
Die Hausmutter erwartete sie schon.
„Sogar einen frischgebackenen Kuchen habe ich“, sagte sie lächelnd. „Sie werden sicher hungrig sein und eine kleine Stärkung vertragen können.“
„Und ob! Mit Rücksicht auf unsere betagten Autos sind wir sehr früh gestartet, zumal das Fahren bei diesem Wetter alles andere als angenehm ist. Und unterwegs hat’s nur ein paar belegte Brote gegeben.“
Dolly trank genießerisch den heißen Tee.
„Werden wir diesmal die gleiche Besetzung haben wie im vergangenen halben Jahr?“ erkundigte sie sich. „Oder gibt es Neuzugänge?“
„Nur einen. Aber der wird Ihnen, fürchte ich, ganz schön zu schaffen machen.“
„So? Wer ist es denn?“
„Simonetta Heinrich.“
„Simonetta Heinrich? Moment mal, den Namen habe ich doch schon mal gehört…“
„Ganz sicher sogar. Das Mädchen war ein bekannter Kinderstar, sie sang Schlager und trat in Shows auf.“
„Sie sang? Soll das heißen, daß sie es jetzt nicht mehr tut?“ fragte Dolly.
„Sie hatte einen Nervenzusammenbruch. Überarbeitung. Dadurch veränderte sich ihre Stimme. Eine Weile versuchte sie weiterzumachen. Aber auch ihr Aussehen wandelte sich, sie wuchs, verlor ihren kindlichen Charme, und ihr Abstieg kam so rasch wie ihr unglaublicher Aufstieg. Das Mädchen ist seelisch völlig durcheinander, deshalb hoffen die Eltern, sie würde in der Umgebung Gleichaltriger hier auf Burg Möwenfels wieder zu sich selbst finden.“
„Mit anderen Worten, wir sollen heil machen, was die Eltern in ihrem Ehrgeiz kaputtgemacht haben. Arme Simonetta. Hoffentlich können wir ihr überhaupt helfen.“
„Wenn es einer kann, dann Sie, Dolly.“
„Es ist lieb, daß Sie mir Mut machen wollen, Hausmutter“, sagte Dolly bedrückt. „Aber sehr wohl ist mir nicht bei der Sache. Ich fürchte, das wäre mehr etwas für einen erfahrenen Seelenarzt. Nun, wir werden sehen. Hören Sie? Da kommt der erste Wagen!“ Dolly trank hastig ihre Tasse aus und stopfte sich das letzte Stück Kuchen in den Mund. „Jetzt kann’s losgehen.“
Ein gerupfter Spatz
Wagen auf Wagen rollte vor das Portal. Auf den Treppenstufen häuften sich Koffer, Sportutensilien, Tüten und Netze, in letzter Minute mit dem vollgestopft, was man nicht mehr im Koffer hatte unterbringen können. Begrüßungsrufe mischten sich mit Abschiedsworten, Umarmungen, heftigem Winken; hier war leise Trauer, wenn das Auto der Eltern den Blicken entschwand, dort heftige Wiedersehensfreude mit den langentbehrten Freundinnen.
Dolly ruderte mit beiden Armen durch das Gewühl und sah sich nach ihren Schäfchen um, den Mädchen, die zum Nordturm gehörten.
Olivia war die erste, sie flog Dolly buchstäblich in die Arme und hing wie eine Klette an ihrem Hals.
„Fräulein Rieder, ich bin so froh, daß ich wieder hier bin! Jetzt ist alles gut!“
„Olivia! Tränen? He, Mädchen! Was ist passiert?“
„Unwichtig. Jetzt bin ich bei Ihnen, und alles ist okay.“
Das hübsche Mädchen schüttelte seinen zotteligen Lockenkopf wie ein Hund, der eben aus dem Wasser kommt. Welch ein Unterschied zu ihrer ersten Ankunft auf Burg Möwenfels! Damals war sie aufgetreten wie ein verwöhnter Filmstar, modisch schick gekleidet, mit einer ganzen Batterie von Koffern jeder Größe. Jetzt steckte sie in abgewetzten Jeans und einem dicken Strickpulli, an den Füßen trug sie Gummistiefel.
„Einen Moment, ich möchte mich nur schnell von Herrn Reismüller verabschieden.“
„Herrn Reismüller?“
„Sie kennen ihn doch. Der Chauffeur
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