Dolly - 11 - Hochzeit auf Burg Moewenfels
einmal zu jedem ans Bett, erkundigte sich, ob es irgendwelche Wünsche, Fragen oder Probleme gäbe und wünschte eine gute Nacht.
„Ich bin so froh, wieder zu Hause zu sein!“ Olivia reckte sich genießerisch und blinzelte zu Dolly hinauf. „Sie können sich nicht vorstellen, wie grauenhaft es in den Ferien war! Aber jetzt fühle ich mich wie neugeboren!“
„Darüber werden wir uns morgen mal in aller Ruhe unterhalten“, sagte Dolly. „Jetzt schlaf gut. Ich bin froh, daß du hier so glücklich bist.“
Wenn nur Simonetta auch schon soweit wäre, dachte sie. Vorerst liegt sie wie ein Igel, der sich zu einer stachligen Kugel zusammengerollt hat, in ihrem Bett. Es ist nicht an sie heranzukommen.
Dolly verließ leise den Schlafsaal. Sie mußte sich noch ein wenig um die Mädchen aus der Zweiten und der Dritten kümmern – und Fräulein Pott hatte sie auch noch nicht richtig begrüßt im Trubel der Ankunft. Die Hausvorsteherin des Nordturms hatte ebensosehr alle Hände voll zu tun gehabt wie ihre junge Assistentin Dolly. Erst wenn die Lichter in allen Schlafsälen des Nordturms gelöscht waren, würde man Zeit für ein Gespräch und eine Tasse Tee haben. Zeit, Erinnerungen auszutauschen, die Probleme der Sorgenkinder zu besprechen und den Beginn des neuen Schulhalbjahrs ein wenig zu feiern.
Kollegin Rieder setzt sich durch
Am nächsten Morgen lag ein blitzblauer Himmel über Land und Meer. Die See ging ruhig, ein paar Möwen kreischten über den Klippen, und wenn Bäume und Sträucher unten im Garten nicht mit einer dicken Schicht Rauhreif überzogen gewesen wären, hätte man meinen können, es sei Frühling.
Dolly stieß die Fenster ihres Zimmers weit auf und atmete tief die frische, kalte Morgenluft ein.
Ich werde mit meinen Küken aus der Ersten heute einen schönen weiten Strandspaziergang machen, dachte sie. Hoffentlich gibt Pöttchen ihnen nicht gleich am ersten Tag zuviel auf! Beim Frühstück werde ich mit ihr reden.
Auf dem Flur wisperten Stimmen, dann wurde zaghaft an die Tür geklopft. Dolly wandte sich um.
„Herein!“
„Darf ich dich mal kurz sprechen?“
„Vivi! Du bist schon auf? Was ist los?“
„Ich habe kaum geschlafen. Es ist wegen Simonetta. Sie hat die halbe Nacht geheult. Ganz leise – unter der Bettdecke, damit es niemand merkt, aber ich hab’s doch gehört. Zweimal bin ich zu ihr gegangen, um sie zu trösten, aber sie hat mich bloß angefaucht und weggestoßen. Was soll ich bloß tun, Dolly? Ich möchte ihr wirklich gern helfen, sie tut mir so leid.“
„Wenn ich das wüßte“, Dolly seufzte. „Ich fürchte, wir müssen sehr viel Geduld mit ihr haben. Haben die anderen etwas gemerkt?“
„Ich glaube nicht.“
„Heute nachmittag werde ich versuchen, mit Simonetta in aller Ruhe ins Gespräch zu kommen. Außerdem werde ich sie zu Frau Direktor Greiling begleiten. Vielleicht – nun, auf jeden Fall ruf mich, Vivi, wenn es in der kommenden Nacht wieder so ist wie heute, ja? Schlimmstenfalls werde ich mit ihr doch zu einem Arzt gehen müssen.“
„Unsinn!“ widersprach Vivi. „Du schaffst das schon. Ich wollte es dir nur sagen, ohne daß die anderen es mitkriegen.“
Simonetta sah wirklich besorgniserregend aus. Das Gesicht war vom Weinen verquollen, unter den Augen hatte sie tiefe schwarze Schatten. Die anderen taten, als bemerkten sie es nicht, aber die Stimmung im Schlafsaal der Ersten war gedrückt; man flüsterte nur, als müsse man Rücksicht auf eine Schwerkranke nehmen. Offensichtlich hatte Vivi sich getäuscht, kaum einer war Simonettas verzweifeltes Weinen in der Nacht entgangen.
Dolly legte Simonetta die Hand auf die Stirn.
„Ich glaube, du hast Fieber, Liebes. Bitte bleib noch eine Weile hier, wenn die anderen zum Frühstück hinuntergehen, ich möchte deine Temperatur messen. Leg dich so lange auf dein Bett.“
„Mir fehlt nichts!“ knurrte Simonetta abweisend und drehte sich weg.
„Das werden wir gleich feststellen. Wenn ich mich getäuscht habe
– um so besser. Wir werden dann zusammen ein wenig später frühstücken. Vivi sagt eurer Klassenlehrerin – Fräulein Pott – Bescheid.“
Dolly war sich ziemlich sicher, daß Simonetta kein Fieber hatte, das Kind war nur völlig übermüdet und erschöpft, und Dolly wollte vermeiden, daß sie im Speisesaal unnötig von den neugierigen Blicken der Mädchen aus den anderen Klassen gequält wurde. Mit Simonetta allein zu sein, sie zum Reden zu bringen, schien ihr jetzt das Allerwichtigste.
„Einen Augenblick,
Weitere Kostenlose Bücher