Dolly - 11 - Hochzeit auf Burg Moewenfels
gleich an meine Arbeit gehen. Es wird ein paar Tage dauern, bis ich den nötigen Überblick habe.“
„Tun Sie das, Dolly. Und wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich ohne Scheu an mich. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie uns in dieser schwierigen Situation nicht im Stich lassen, obgleich Ihnen diese Aufgabe manches zusätzliche Opfer abfordern wird.“
„Ich tue es gern und von ganzem Herzen!“ sagte Dolly und hätte am liebsten hinzugefügt: Es kommt mir gerade recht, um meinen privaten Kummer zu vergessen. Arbeiten, bis ich vor Müdigkeit umfalle, ist genau das, was ich jetzt brauchen kann!
Ein wenig seltsam war Dolly schon zumute, als sie den Arbeitsraum der Hausmutter betrat. An den Wänden standen in langer Reihe die Wäscheschränke, vor dem Fenster der Schreibtisch und das Regal mit den Karteikästen. Dort war die Akte mit den Gesundheitszeugnissen der Mädchen. Dolly nahm sie heraus und blätterte sie flüchtig durch. Wie viele Erinnerungen knüpften sich daran!
Zum Beispiel Irene. Wo mochte sie jetzt stecken? Jahr für Jahr hatte es Ärger wegen ihres Gesundheitszeugnisses gegeben, immer wieder hatte sie es vergessen oder verloren, und je mehr sie sich bemühte, eine absolut sichere Methode zu finden, es nicht zu verlieren, desto komplizierter wurde die Suche anschließend.
Dolly steckte die Akte zurück ins Regal. Womit sollte sie beginnen? Was hatte sie alles zu tun?
Nur Mut, sagte sie sich. Schließlich ist es nicht anders, als wenn ich eine Mutter mit einer großen Familie wäre. Mit einer sehr großen Familie, zugegeben. Aber dafür hatte sie auch ein paar tüchtige Helfer.
Dolly setzte sich an den Schreibtisch und nahm ein Blatt Papier zur Hand. Sie mußte Ordnung in ihre Gedanken bringen, und das konnte sie am besten, indem sie notierte, was ihr einfiel. Sie begann, einen Tagesplan zu entwerfen. Die Hausmutter würde sie vorerst nicht fragen können, sie mußte allein zurechtkommen.
Sie war so in Gedanken versunken, daß sie das Klopfen an der Tür überhörte und gar nicht bemerkte, wie Fräulein Pott zu ihr trat.
„Viel Glück, Dolly!“ sagte die alte Lehrerin. „Ich freue mich, daß Sie den Posten angenommen haben. Nun sind Sie also Verwalterin des Nordturms, den Sie so lieben. Übrigens – hier ist der Schlüsselbund, die Hausmutter hat ihn mir für Sie gegeben. Als ich ihr sagte, daß Sie für sie einspringen würden, schien es ihr gleich ein wenig besser zu gehen. Und das hier soll ich Ihnen auch geben.“
Fräulein Pott nahm einen der Schlüssel und schloß die mittlere Schreibtischschublade auf. Sie nahm einen Aktendeckel heraus und legte ihn vor Dolly auf den Tisch. „Für meine Nachfolgerin“ stand darauf. Dolly schlug ihn auf. Da war eine genaue Aufstellung der täglichen Aufgaben, eine Liste aller anfallenden Tätigkeiten, eine Adressenliste der Handwerker, für den Fall, daß etwas repariert werden mußte, Inventarlisten, ein Dienstplan für die Hausmädchen, die den Nordturm sauberzumachen hatten und sich um die Wäsche kümmerten – kurz, alles was Dolly brauchte, um sich in ihrem neuen Pflichtenkreis zurechtzufinden.
„Wunderbar! Die Hausmutter ist wirklich ein Schatz“, seufzte sie erleichtert. „Jetzt fühle ich mich schon wesentlich wohler! Ich werde zunächst einmal mit dem Schlüsselbund durch den Turm wandern und mir sämtliche Räume ansehen. Und dann werde ich mich dem Hauspersonal als neue Hausmutter vorstellen – ein komisches Gefühl.“
„Tun Sie das“, sagte Fräulein Pott. „Und wenn Sie später einen Blick zur Hausmutter hineinwerfen wollen, ich glaube, jetzt können Sie es ruhig tun. Nur nicht zu lange!“
„Ja, das möchte ich unbedingt. Ich werde ganz leise sein und nur einen Augenblick bleiben. Ist die Pflegerin bei ihr?“
,,Ja. Und der Arzt kommt in etwa einer Stunde noch einmal vorbei.“
Als Dolly auf den Flur hinaustrat, kamen ihr Susu, Vivi und Olivia entgegen. Sie hatten zwei große Feldblumensträuße gepflückt.
„Können wir zwei Vasen haben, Hausmutter?“ fragte Vivi und blinzelte Dolly verschmitzt von unten an. „Die Blumen sind für dich – mit unserem herzlichsten Glückwunsch! Und die hier für die kranke Hausmutter.“
„Danke, ihr Lieben! Aber müßt ihr mich wirklich Hausmutter nennen? Ich komme mir so schrecklich würdevoll vor, wenn ihr mich so anredet!“
„Daran wirst du dich gewöhnen müssen!“ sagte Vivi streng. „Ich als Klassensprecherin und als Schwester deiner besten Freundin darf das doch sagen, oder? Also,
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