Dolly - 11 - Hochzeit auf Burg Moewenfels
winzigen Schlafkammer mit Dusche. Dolly betrat die Halle, warf einen Blick auf das Schwarze Brett, schnupperte kurz zur Küche hinüber, wo es – wie immer um diese Zeit – nach frisch gebackenem Kuchen roch, und stieg die Treppe hinauf.
Hinter Dr. Werkamers Tür klapperte eine Schreibmaschine. Dolly mußte lachen, als sie sich an den Literaturunterricht bei dem armen, von den Mädchen „Wachsbohne“ genannten Lehrer erinnerte. Sie sah ihn im Fenster stehen, bleich und hochgewachsen, mit verzückt geschlossenen Augen, wie er Heinrich Heine zitierte oder seine Schülerinnen für einen Schillerschen Monolog zu begeistern versuchte. Ob er auch eigene Gedichte schrieb? Es war ihm zuzutrauen.
Die letzte Tür am Ende des Ganges trug die Aufschrift „KlausHenning Schwarze“. Dolly bekam auch jetzt noch jedesmal Herzklopfen vor Freude, wenn sie nur den Namen las. Sie hob die Hand, um anzuklopfen.
Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Was war das gewesen? Hatte sie sich getäuscht? Da lachte jemand hinter der Tür. Eine weibliche Stimme war es. Jetzt sagte sie etwas, Dolly konnte nicht verstehen, wovon sie sprach, sie hörte nur den verführerischen Singsang, von leisem Lachen unterbrochen. Und sie wußte sofort: dies war nicht Felis Stimme, es war auch nicht die Stimme Niki Schwarzes, KlausHennings Schwester oder irgendeines anderen Mädchens, das Dolly kannte.
Einen Augenblick stand sie wie gelähmt. Natürlich wäre es jetzt das einfachste gewesen, einfach anzuklopfen und hineinzugehen, aber das brachte Dolly nicht fertig. Wenn Klaus ihr unerwarteter Besuch nun ungenehm war?
Wieder dieses Lachen. Dolly gab es einen stechenden Schmerz, ihr war es, als schnüre ihr jemand die Kehle zu. Jetzt sprach Klaus. Ganz fremd klang es. Wie ein schnurrender Tiger, dachte Dolly. So spricht er mit mir nie! Schneeweiß im Gesicht, wich sie zurück.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet. Dolly hatte gerade noch Zeit, in einen dunklen Seitengang zu treten. Ein rotblondes Mädchen trat heraus – richtig, das war doch diese Cordula Flink! Die mit dem bildschönen Pferd und dem Sportwagen. Dolly schoß das Blut in den Kopf. Was hatte die im Zimmer von Klaus zu suchen?
Wie sie den Kopf drehte und ihre Haare schüttelte! Und dann das Kleid, weiter ausgeschnitten ging es gar nicht mehr! Jetzt drehte sie sich noch einmal um. „Nehmen wir meinen Wagen?“ hörte Dolly sie sagen. „Na klar!“ Klaus lachte. „Die Gelegenheit lasse ich mir doch nicht entgehen!“
„Fein! Ich warte unten hinter der Scheune.“
Eine Wolke teuren Parfüms hüllte Dolly ein, als das Mädchen vorüberwirbelte. Summend sprang sie die Treppenstufen hinunter. Dolly schlug das Herz bis zum Hals. Wie eine Schlafwandlerin trat sie aus ihrem Versteck, taumelte den Gang entlang und stieg in die Halle hinunter. Ihr war, als hätte ihr jemand einen Schlag mit einer Holzkeule versetzt.
„Nehmen wir meinen Wagen?“ fragte die schöne Cordula
Sie mußte jetzt allein sein, es war ihr einfach unmöglich, Felicitas oder einer der Freundinnen unter die Augen zu treten.
Dolly lief zu ihrem Wagen zurück, startete und fuhr mit aufheulendem Motor davon. Kreuz und quer raste sie über die Landstraßen. Kilometerweit fuhr sie ins Land hinein, ohne zu wissen wohin. Tränen liefen ihr über das Gesicht, ohne daß sie es bemerkte. Nur ein einziger Gedanke hatte noch Raum in ihr: Klaus! Wie konnte er nur! Wie war es möglich, daß er sie jetzt schon hinterging, einer anderen in die Falle tappte, sich so einfach umgarnen ließ?
Sie dachte daran, wie er damals aus dem Dunkel getreten war, als Cordula Flink in der Halle ritt und sie selbst mit Mona auf die Zuschauertribüne gekommen war. Damals hatte sie geglaubt, er hätte nur auf sie gewartet. Jetzt wußte sie es besser! Schon damals war er nur Cordulas wegen dort gewesen!
Es ist alles aus! dachte Dolly. Aus, bevor es noch richtig angefangen hat. Mein Gott, ich bin ja so unglücklich!
Ein schwarzer Tag für Möwenfels
Als Dolly gegen Abend zur Burg zurückkehrte, fand sie den Nordturm in heller Aufregung. Die Schülerinnen standen mit bedrückten Gesichtern in den Gängen und flüsterten, Madame Monnier flatterte wie ein aufgeregtes Huhn durch die Halle, ohne Dolly wahrzunehmen, sie flüsterte ununterbrochen „mon Dieu, mon Dieu“ vor sich hin und hatte verweinte Augen.
Fräulein Pott empfing Dolly auf der Treppe. Sie sah kreidebleich aus.
„Gott sei Dank, daß Sie da sind, Dolly. Etwas Schreckliches ist geschehen! Die
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