Dolly - 11 - Hochzeit auf Burg Moewenfels
Amt ist Amt, und Würde ist Würde, und schließlich willst du doch so was für uns sein wie eine Mutter, hab ich recht?“
„Ja, du hast recht. Ihr müßt ein bißchen Geduld mit mir haben, das geht alles zu schnell, um es auf einmal schlucken zu können. Heute abend werden wir uns im Gemeinschaftsraum zusammensetzen und über meine neue Würde sprechen. Ladet auch die Mädchen aus den anderen Klassen dazu ein, wenn sie kommen mögen. Wir wollen darüber diskutieren, was ich anders machen kann, um die Aufgaben der Hausmutter mit denen einer Erzieherin zu verbinden. Ich denke vor allem an unsere Gruppenarbeit, an unsere Abende. Wahrscheinlich werde ich mehr als bisher eure Hilfe in Anspruch nehmen müssen, um allen Aufgaben gerecht zu werden. Darüber wollen wir reden.“
„Prima, wir werden sie alle zusammentrommeln. Wo finden wir die Vasen?“
„Die suchen wir jetzt gemeinsam. Hier, dieser Schrank müßte es sein.“
Dolly schloß einen der großen Schränke auf. Dort standen ein paar Gefäße verschiedener Größe, die meisten recht altmodisch, manche mit Sprüngen oder angeschlagenen Ecken.
„Wir werden uns in der Töpfergruppe als nächstes vornehmen, eine Reihe Vasen für den Nordturm herzustellen“, sagte Dolly. Und plötzlich begann sie, sich auf ihre neue Aufgabe zu freuen. Darauf, daß sie das Leben im Nordturm nun nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten konnte – das Leben einer großen Familie.
Mona siegt für die Burg
Das große Sportfest sollte vier Wochen vor den Sommerferien stattfinden. Im Schwimmbad, auf dem Sportplatz und in der Reitbahn trainierten die Mädchen mit Feuereifer für die geplanten Wettkämpfe.
Da man diesmal keine andere Schule zu den Wettkämpfen hatte einladen können, traten Westturm, Ostturm, Nordturm und Möwennest gegeneinander an. Den Höhepunkt sollte ein Festabend im Möwennest bilden, der natürlich wieder von den tüchtigen Kochschülerinnen gestaltet wurde.
Dolly hatte selten Zeit, sich um das Training der Mädchen zu kümmern. Ihre Pflichten als neue Hausmutter nahmen sie voll in Anspruch, und so tauchte sie nur hin und wieder am Rand des Schwimmbads oder auf dem Reitplatz auf, um sich von den Fortschritten ihrer Schützlinge zu überzeugen.
Der Hausmutter ging es besser. Man hatte sie in ein Krankenhaus, später in ein Sanatorium gebracht, wo sie sich langsam erholte. Aber es war klar, daß sie in Zukunft auf ihre Pflichten in der Burg verzichten mußte, um in einem Pflegeheim einen ruhigen Lebensabend zu verbringen.
Dolly hatte sich gut eingearbeitet, und Fräulein Pott – als Vorsteherin des Nordturms – war vollauf zufrieden. Langsam begann sich das Leben im Nordturm zu wandeln, Dollys Stil prägte den Tageslauf spürbar. Die Mädchen hatten mehr Eigenverantwortung bekommen, der Kontakt zwischen den einzelnen Klassen war lebendiger geworden. Man blieb nicht mehr unter sich, sondern fühlte sich als eine große Familie mit jüngeren und älteren Geschwistern.
Die aus der Fünften und Sechsten nahmen sich der Kleinen an, wenn es Schwierigkeiten in der Schule gab, ein Nachhilfedienst war eingerichtet worden, die Jüngeren nahmen den Großen, die im Examen schwitzten, Einkaufsgänge und kleinere Arbeiten ab. Und an den Abenden gab es immer häufiger Veranstaltungen, die von den Großen und den Kleinen gemeinsam bestritten wurden. Das führte dazu, daß die Mädchen aus dem Nordturm auf ihre Gemeinschaft richtig stolz wurden. „Wir sind schon was ganz Besonderes!“ pflegten sie neuerdings zu sagen, und manches der Mädchen aus dem West-oder Ostturm träumte heimlich davon, in den Nordturm übersiedeln zu können, selbst wenn die aus dem Nordturm mehr Pflichten zu erfüllen hatten, als ihre Mitschülerinnen aus einem der anderen Türme.
Klaus sah Dolly in diesen Wochen wenig. Immer wieder hatte sie Ausreden, wenn er anrief, versteckte sich hinter ihren vielen Aufgaben und sprach nur von der Arbeit. Da er wußte, was die neue Stellung an Kraft, Zeit und Geduld von ihr förderte und sich immer wieder klarmachte, wie schwer es sein müsse, wenn man Hals über Kopf mit einer solchen Aufgabe betraut wurde, blieb er abwartend im Hintergrund. Eines Tages, sagte er sich, wenn Dolly gut eingearbeitet war, würde sich alles ändern.
So war er auch nicht verletzt, wenn Dolly sich kühl und abweisend benahm. Er schob es auf ihre Überarbeitung, auf die Spannung, unter der sie zur Zeit lebte und auf den Schock, den der Zusammenbruch der alten Hausmutter bei ihr
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