Dolly - 12 - Die juegste Burgmoewe
Jagdhütte versteckt hielt.“
Das stimmte zwar nicht ganz, hörte sich aber gut an, fand Dolly.
„Sie kennen also meine Töchter inzwischen recht gut“, sagte Herr Morell zögernd.
„Sehr gut. Und ich habe sie sehr ins Herz geschlossen.“
„Fremde Kinder? Wo Sie ein paar Dutzend zu betreuen haben?“ fragte Herr Morell ironisch.
„Herr Morell, wenn ich nicht in der Lage wäre, diese ‚fremden Kinder’, wie Sie es nennen, von Herzen gern zu haben, dann hätte ich nicht diesen Beruf gewählt. Ich bin Erzieherin geworden, weil ich mir nichts Schöneres und auch nichts Wichtigeres vorstellen kann, als jungen Menschen bei ihrem Weg ins Leben ein verständnisvoller Freund und Begleiter zu sein. Vor Jahren war ich selber Schülerin in Möwenfels und habe dieses Haus und die hier vermittelte Lebenseinstellung so liebgewonnen, daß es mich magisch hierher zurückgezogen hat.“
„Was verstehen Sie unter der ,hier vermittelten Lebenseinstellung’, Frau Schwarze?“
„Menschen heranzuziehen, für die es nicht so wichtig ist, Karriere zu machen, wie Sie es nennen würden, die besten Examen heimzubringen und später einmal bis in die höchsten Gipfel des Erfolgs aufzusteigen, sondern die hilfsbereit und fröhlich werden – Menschen, auf die man sich jederzeit verlassen kann.“
„Ha“, Herr Morell lachte bitter auf. „Da kann ich es nur bedauern, daß meine Frau nicht Schülerin in Burg Möwenfels war. Menschen, auf die man sich verlassen kann – gibt’s die überhaupt?“
„O ja. Mehr als Sie glauben. Und Ihre Töchter werden ganz sicher eines Tages zu ihnen zählen, wenn Sie ihr Leben nicht gedankenlos zerstören…“
Während Dolly in ihrem Wohnzimmer mit Herrn Morell Tee trank, hatte Klaus sein Ziel erreicht: eine abseits gelegene Siedlung kleiner Ferienhäuser, die nur im Sommer bewohnt waren. Sie lagen an einem Hang in einer kleinen Bucht, terrassenförmig fiel die Siedlung zum Strand hin ab. Klaus stand oberhalb des Hanges und blickte prüfend über die Dächer, als könnten sie ihm Antwort geben, unter welchem von ihnen sich seine Schützlinge verborgen hielten.
Es war dunkel geworden. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen, kein Auto, kein Fußgänger verirrte sich um diese Jahreszeit hierher. Eine Weile stand er so und starrte auf die schattenhaften Umrisse der Hütten und Häuschen, dann schloß er das Motorrad ab, ließ es an der Straße zurück und begann, die Feriensiedlung nach den Mädchen abzusuchen.
Leise näherte er sich den Türen, lauschte eine Weile und untersuchte, ob Fenster oder Tür sich öffnen ließ.
In der oberen Reihe der Häuser rührte sich nichts. Doch als er das letzte Haus in der mittleren Reihe erreicht hatte, glaubte er Stimmen zu hören. Klaus trat dicht an die Tür heran und lauschte angestrengt. War es Täuschung? Nein, da drinnen wurde geflüstert. Es waren Mädchenstimmen, aber was sie sprachen, konnte er nicht verstehen.
Drinnen leuchtete der Lichtstrahl einer Taschenlampe auf. Dann hörte er ein Geräusch, als wenn ein Stück Stoff gerissen wurde. Wieder das Murmeln. Und dann plötzlich ein deutlicher Satz.
„Glaubst du, du kannst damit gehen?“
„Ich muß es versuchen. Vielleicht läßt der Schmerz etwas nach, wenn ich den Fuß bewege.“
Klaus wartete atemlos. Etwa zehn Minuten vergingen, dann wurde vorsichtig die Tür geöffnet. Klaus drückte sich dicht an die Wand und wagte kaum Luft zu holen.
„Alles klar, komm Isa, stütz dich auf mich, dann schaffen wir es schon.“
„Das würde ich nicht versuchen“, sagte Klaus so ruhig wie möglich, um die Mädchen nicht allzusehr zu erschrecken. „Mit einem verstauchten Fuß kommt man nicht weit, und hier seid ihr wenigstens sicher davor, von der Polizei entdeckt zu werden.“
Die Zwillinge fuhren herum. Obwohl er sehr ruhig und freundlich gesprochen hatte, waren sie zu Tode erschrocken.
„Kommt in die Hütte. Und schaut mich nicht an, als hätte der Blitz eingeschlagen. Ich will versuchen, euch zu helfen. Als erstes zeig mir mal deinen Fuß, Isabella.“
Die beiden Mädchen ließen sich wortlos zurück in die Hütte schieben. Klaus schloß die Tür hinter sich und ließ seine Taschenlampe aufleuchten.
„Gibt’s hier nicht irgendwo Kerzen? Ah, da drüben, stell den Leuchter auf den Tisch, Charlie. Hier sind Streichhölzer. Setz dich, Isa. Her mit dem verletzten Fuß!“
Charlie hatte die Kerzen angezündet, jetzt stand sie mit verschränkten Armen an der Tür.
„Wir lassen uns nicht zurückbringen!“
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