Dolly - 12 - Die juegste Burgmoewe
Ideen. Wir sind auch ohne solche Gefühlsduselei groß geworden und haben unseren Weg im Leben gemacht.“
„Darf ich ihnen eine Frage stellen, Herr Morell“, Frau Greiling sah dem verärgerten Mann ruhig in die Augen. „Wenn Sie Ihre Töchter nicht lieben – warum haben Sie so darum gekämpft, sie vom Gericht zugesprochen zu bekommen, und – da Sie nicht beide bekommen konnten – schließlich darauf bestanden, daß die Mädchen getrennt wurden?“ Herr Morell wurde blaß.
„Wie können Sie behaupten, daß ich sie nicht liebe!“ sagte er rauh. „Sie wissen ja nicht, wie… Ich wüßte zwar nicht, was Sie beide das überhaupt angeht, aber… ich mußte alles tun, um die Kinder aus dem Einflußbereich meiner… aus dem Einflußbereich ihrer Mutter zu bringen.“
„Nun gut, aber was spricht dann dagegen, daß die beiden Mädchen hier in Möwenfels zusammen sind?“ fragte die Direktorin.
„Sie wird sie mir nehmen! Begreifen Sie denn nicht – sie wird all ihren Einfluß auf Charlie geltend machen, um Isabella gegen mich aufzuhetzen! Die Mädchen müssen getrennt werden!“ Dolly und die Direktorin sahen sich an. Wie konnte ein Mensch nur so verbohrt sein!
„Sie tun mir leid“, sagte Dolly leise. „Aber mehr noch bedaure ich Charlie und Isabella. Wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, ich wäre auch davongelaufen, Herr Morell.“
„Herr Morell“, die Direktorin stand auf und trat auf den Gast zu, „ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ohne Zweifel wird die Polizei die beiden Mädchen in Kürze gefunden haben. So lange bitte ich Sie, unser Gast zu sein. Frau Schwarze wird Sie begleiten und Ihnen Burg Möwenfels zeigen. Sie wird Ihnen eine kleine Erfrischung anbieten und Ihnen für alle weiteren Fragen zur Verfügung stehen. Sobald ich etwas über den Verbleib der Mädchen höre, werde ich es Sie wissen lassen.“
„Nun gut, es wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben, als zu warten. Weit können die Kinder ja nicht gekommen sein. Wir sehen uns dann später noch einmal, gnädige Frau.“
Dolly schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß ihr alle guten Geister in den kommenden Stunden beistehen möchten. Dann begann sie ihre Führung durch die Burg und das umliegende Gelände. Sie begann mit den Schulräumen, dem Speisesaal und der Aula, zeigte die Gruppenräume, in denen die Mädchen ihren Hobbys nachgehen konnten, den Handarbeitsraum, die Musikzimmer, den Zeichensaal und die Töpferei, führte ihn in den Redaktionsraum der Schülerzeitung und in den Probenraum der Theatergruppe.
Dann erklärte sie die Einteilung der Türme, führte ihn in den Ost-und den Westturm und schließlich in den Nordturm. Sie zeigte ihm die Gemeinschaftsräume und schließlich die Schlafsäle, versäumte nicht, ihn in Ruhe den Blick über die Klippen aufs offene Meer bewundern zu lassen und beschrieb dabei den Tageslauf auf Burg Möwenfels.
Herr Morell sagte zu dem allen nichts, erst als Dolly ihm den Rosengarten, der jetzt schon in winterlichem Schlummer lag, und das Schwimmbecken zwischen den Klippen vorführte, entschlüpfte ihm ein Laut der Bewunderung.
Dolly zeigte ihm noch den Sportplatz und den Schulgarten, dann kehrten sie ins Haus zurück.
„Jetzt wollen wir uns erst einmal stärken“, sagte sie so munter, als hätte sie ihre Mädchen und nicht einen griesgrämigen älteren Herrn neben sich. „Ich mache uns einen Tee und ein paar Sandwiches, und einen guten Kuchen habe ich auch gebacken. Eigentlich sollte er mein Abschiedsgeschenk an Isabella sein.“
Die Idee mit dem Kuchen war ihr am Vormittag gekommen. Herr Morell riß vor Erstaunen die Augen auf, als er das große Herz aus Kuchenteig sah, das ganz mit weißem Zuckerguß überzogen und mit einer zierlichen Aufschrift versehen war. „Wir vergessen dich nicht! Alles Gute, Isa“ stand darauf. Dolly hatte sich eine der begabtesten Nestmöwen zu Hilfe geholt, um die Schrift sauber hinzukriegen.
„Eh… vielleicht sollten wir den Kuchen doch nicht anschneiden“, sagte er unsicher, „es ist ganz außerordentlich nett von Ihnen, daß Sie meiner Tochter so ein Geschenk machen wollen.“
„Nun gut, wie Sie meinen. Hier ist Toast, Butter und Marmelade. Und hier habe ich noch ein paar Kekse, ebenfalls selbst gebacken. Mein Mann liebt sie besonders.“
„Sie leben mit Ihrem Mann hier?“
„Ja, er ist Lehrer. Übrigens der Klassenlehrer Ihrer Töchter. Im Augenblick beteiligt er sich an der Suche nach ihnen. Er war es auch, der Isabella entdeckte, als sie sich hier in einer
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