Dolly - 12 - Die juegste Burgmoewe
draufloszusuchen! Alles, was wir
tun können, ist warten!“
„Sie haben recht.“ Der zweite Anruf war kurz.
„Hast du ihn soweit?“
„Noch nicht.“
„Also dann bis später.“
Herr Morell war aus seinem Stuhl hochgeschossen.
„Was ist?“
„Nichts. Nur jemand, der sich erkundigen wollte, ob wir schon
etwas gehört haben.“
„Das halte ich nicht aus“, stöhnte Herr Morell. „Meine kleinen
Mädchen! Zu denken, daß sie da draußen in einer Nußschale von Boot
hilflos auf den Wellen treiben! Vielleicht längst gekentert sind!“ „Herr Morell! Es wird alles getan, um die Kinder zu finden! Und es
ist eine bloße Vermutung, daß sie aufs Meer hinausgefahren sind!“ „Sie sind es – ich fühle es ja! Sie sind aufs Meer hinausgefahren,
sonst hätte man sie längst finden müssen!“
Herr Morell verbarg das Gesicht in den Händen, seine Haltung
drückte tiefe Verzweiflung aus.
„Wie verzweifelt müssen Ihre Kinder gewesen sein, daß sie das
Wagnis einer solchen Flucht eingegangen sind!“ sagte Dolly
eindringlich. „Ist Ihnen das eigentlich klar?“
„Ich beginne es zu begreifen“, antwortete Herr Morell düster. „Haben Sie Geschwister, Herr Morell?“
„Einen Bruder, aber wir haben uns nie verstanden. Wir sprechen
seit Jahren nicht mehr miteinander.“
„Und Ihre Eltern?“
„Ich sehe sie kaum. Hartherzige, verbissene alte Leute. Sie haben
nie viel von mir gehalten, obwohl ich wirklich alles getan habe, um
ihnen zu beweisen, daß ich… Warum fragen Sie mich das alles?“ „Weil ich wissen möchte, was der Grund dafür ist, daß sie die tiefe Zuneigung der beiden Zwillingsschwestern zerstören wollen. Jetzt
ahne ich es. Sie wissen gar nicht, was das ist, Liebe.“
„Liebe ist nichts als Einbildung. Reine Täuschung. Man fällt
vielleicht einmal darauf herein, wenn man jung ist, aber die
Enttäuschung folgt auf dem Fuß.“
„Herr Morell – wissen Sie, was ich glaube? Sie sind eifersüchtig.
Eifersüchtig auf Ihre Töchter, die etwas besitzen, was Sie nie
kennengelernt haben!“
„Meine Töchter… mein Gott, wir sitzen hier und reden und reden…
und sie sind vielleicht längst… was nützt meinen Töchtern ihre Liebe
zueinander dann noch!“
„Dann nichts mehr, das ist wahr. Aber wenn sie leben…“ Herr Morell schwieg lange, er schien in tiefes Nachdenken
versunken. Plötzlich sprang er auf und rannte zum Fenster.
Minutenlang starrte er nach draußen, ohne etwas zu sehen. „Sie haben recht“, sagte er plötzlich leise. „Wenn sie noch leben…
ich habe nicht das Recht, etwas zu zerstören, nur weil ich es nicht
begreifen kann. Sie sollen zusammenbleiben… wenn sie nur noch am
Leben sind!“
Dolly atmete unhörbar auf. Wenig später klingelte das Telefon.
Dolly riß den Hörer von der Gabel.
„Klaus…? Es ist alles gut. Komm nach Hause. Kommt schnell nach
Hause! Wir… wir holen euch ab, Herr Morell und ich! Er hat Isa und
Charlie etwas Wichtiges zu sagen!“
Olivia bekommt einen Preis
Charlie und Isabella verbrachten den nächsten Tag auf der Krankenstation. Sie hatten sich beide eine tüchtige Erkältung geholt und sollten sich erst einmal richtig ausschlafen. Außerdem mußte Isabellas Fuß behandelt werden. Herr Morell hatte sich noch in der Nacht mit seinen Töchtern ausgesprochen und ihnen zugesagt, daß sie zusammen in Burg Möwenfels bleiben durften. Dann war er davongefahren, war zu seinen dringenden Terminen gehetzt. Dolly las in seinen Augen Trauer und den Wunsch zu bleiben, sich auszusprechen, Menschen zu finden, die ihm zuhörten.
„Er tut mir so leid“, sagte sie zu den Zwillingen. „Versprecht mir, daß ihr euch in Zukunft viel um ihn kümmern werdet. Er braucht euch
– mehr als ihr ahnt!“
„Das tun wir“, versprach Charlie. „Jetzt wird bestimmt alles gut. Wer weiß, vielleicht gelingt es uns eines Tages sogar, unsere Eltern miteinander zu versöhnen. Wenigstens Freunde sollen sie werden, das haben wir uns vorgenommen.“
Als die Zwillinge am nächsten Abend in den Schlafsaal der Zweiten zurückkehrten, wurde ihnen ein triumphaler Empfang bereitet. Auf ihren Nachttischen warteten Blumensträuße und für jede eine Tafel Schokolade, ihre Betten waren mit Tannenzweigen und buntem Laub dekoriert, und dazwischen hing ein großes Paket mit der Aufschrift „Ein dreifaches Hoch den glücklichen Heimkehrern!“
Noch bis tief in die Nacht hinein hörte man sie schwatzen und lachen. Immer wieder mußten die Zwillinge jede Einzelheit ihrer Flucht erzählen. Nur,
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