Dolly - 14 - KLassentreffen auf der Burg
Komm, Isa, tausch mit Andrea deinen Platz.“
„Gern, Fräulein Innig.“
Andrea schnitt eine Fratze, zum Glück konnte Fräulein Innig es nicht sehen. Sie setzte sich neben Maria, ohne sie eines Blickes zu würdigen, stieß sie aber, als sie ihren Stuhl heranzog, mit dem Ellbogen grob an.
„Oh, entschuldige!“ sagte Andrea übertrieben. „Es war wirklich nicht meine Absicht!“
„Nein, natürlich nicht!“ flötete Maria zuckersüß, und ihre Augen feuerten giftige Pfeile auf die Cousine.
Vivi und Olivia brachten die Schüsseln mit dem Essen und stellten sie neben Fräulein Innig ab. Die Lehrerin tat sich ein wenig von allem auf ihren Teller und reichte die Schüsseln an die neben ihr sitzende Susu weiter. Ein Mädchen nach dem anderen füllte seinen Teller. Als vorletzte kam Andrea an die Reihe. Sie langte kräftig zu, so daß die Soße fast über den Tellerrand floß.
„Gewisse Leute sollten erst mal Manieren lernen, bevor man ihnen erlaubt, mit anderen am Tisch zu sitzen“, sagte Maria spitz.
„Das habe ich nur getan, um dir eine Freude zu machen, Cousinchen“, antwortete Andrea geziert. „Ich werde doch nicht so hart sein, dir das Vergnügen zu nehmen, mich von Herzen verachten zu können.“
Olly und Vivi wechselten einen raschen Blick. Die anderen beeilten sich, Fräulein Innig in ein Gespräch über ihre Ferienerlebnisse zu ziehen, um sie von dem Dialog der feindlichen Cousinen abzulenken. Wirklich unmöglich, wie sich die beiden benahmen!
Andrea stopfte mit sichtlichem Genuß das Essen in sich hinein. Maria aß wie ein Spatz; hochaufgerichtet, die Ellbogen eng an den Körper geklemmt, schnitt sie winzige Häppchen von ihrem Schnitzel und führte sie in Zeitlupentempo zum Mund. Unglücklicherweise fiel es Fräulein Innig nun doch ein, sich den beiden Neuen zuzuwenden.
„Ihr wohnt in derselben Stadt?“ erkundigte sie sich.
„Ja, allerdings weit voneinander entfernt“, sagte Maria geziert. „Meine Familie besitzt ein kleines Landhaus im Südwesten der Stadt, die Familie meines Onkels wohnt in einer Neubausiedlung im Osten. Zur Miete natürlich, es gibt dort nur Mietwohnungen. Aber für meinen Onkel ist es praktischer, es ist nicht weit von der Firma entfernt, in der er arbeitet.“
„Wohingegen mein Onkel eine äußerst bekannte Anwaltskanzlei in der City betreibt“, sagte Andrea im gleichen Ton.
Zum Glück merkte Fräulein Innig nicht den unverhohlenen Spott in Andreas Stimme.
„Aber ihr habt dieselbe Schule besucht, wie ich hörte?“
„Das ist richtig, allerdings besuchte Andrea die Klasse unter mir. Sie hat gewisse Schwierigkeiten mit dem Lernen und mußte bereits einmal eine Klasse wiederholen.“
„Wie treffend du das wieder gesagt hast, liebstes Cousinchen! Welch ein Jammer, daß dir nun das gleiche Schicksal widerfahren ist!“
Andreas Worte trieften wie Himbeersirup.
„Bei mir ist das etwas anderes! Ich hatte eine schwere Lungenentzündung und mußte wochenlang die Schule versäumen! Nach meiner Krankheit war ich so geschwächt, daß es mir nicht gelang, die Wissenslücke zu schließen.“
„Redet sie nicht wie ein Buch? Entzückend!“
„Andrea hingegen hat – wenn ich das mal so sagen darf – recht wenig Interesse für die Schule und gibt sich lieber mit geistig anspruchsloseren Beschäftigungen ab…“
„Recht hat sie, wer mag schon ewig für die Schule pauken. Mir ist zum Beispiel Sport wesentlich lieber!“ warf Charlie ein, der Marias gezierte Art auf die Nerven ging. Warum ließ sie Andrea nicht für sich selber sprechen?
Aber Maria ließ sich nicht beirren. Sie war offensichtlich der Typ, der sich gern reden hörte. Andrea ließ es achselzuckend geschehen und füllte sich noch einmal den Teller randvoll.
„Es ist natürlich auch eine Frage der Erziehung. Andreas Eltern haben da völlig andere Vorstellungen als meine. Ich wurde von klein auf zu äußerster Sauberkeit und Pünktlichkeit erzogen, und mein Vater verstand es immer, meine geistigen Interessen zu wecken. Bei Andrea dagegen…“
„Bei uns dagegen…“, äffte Andrea Maria nach.
„… lebt man frei und ungebunden…“
„Völlig frei. Freier geht’s gar nicht mehr!“
„Andreas Mutter ist Künstlerin…“
„… man denke!“
„… und entsprechend sieht es bei ihnen zu Hause aus. Jeder tut, was er will und…“
„… wir leben wie die Hottentotten, wenn nicht schlimmer!“
„Nun, wie auch immer, man muß das verstehen. Woher soll ein Kind in einer solchen Familie…“
„… in einer so total
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