Dolly - 17 - Eine Hauptrolle fuer die Burg
ganze Klasse, und sie mußten losen, um aus all den eifrigen Helferinnen vier auszuwählen.
Als an einem schönen Vorfrühlingstag das Filmteam anrückte, glänzte und blitzte das kleine Anwesen der Monniers vor Sauberkeit. Zu ihrem Kummer war es Madame Monnier nicht gelungen, sich für diesen Tag vom Unterricht befreien zu lassen, da die zweite Französischlehrerin der Burg, Mademoiselle Bellot, mit einer Grippe auf der Krankenstation lag. So mußte sie sich bis zum Nachmittag gedulden, ein Schicksal, das sie mit ihren Schülerinnen teilte.
Monsieur Monnier erwartete die außergewöhnlichen Gäste mit einem Kaffee, dem er großzügig einen Schuß von seinem besten Cognac beigefügt hatte, ein Spezialrezept, wie er versicherte, mit dem man Tote zum Tanzen bringen konnte. Er verteilte die Becher mit dem Begrüßungstrunk, ehe jemand protestieren konnte.
Theo und Jimmy, die für die Dekoration und alle anfallenden Bauarbeiten zuständig waren, sagten jedenfalls nicht nein, ebensowenig der dicke Beleuchter Bullow und sein junger Gehilfe Max Zwirn, den sie Faden nannten.
„Na denn, prost!” dröhnte Bullow und stieß mit Monsieur Monnier an, daß der Kaffee über den Becherrand schwappte. „Das nenne ich einen angenehmen Empfang!”
Monsieur Monniers Spezialgetränk fuhr den Männern wie flüssiges Feuer in die Adern, und entsprechend schwungvoll begannen sie, Scheinwerfer, Kabel und alles mögliche Gerät ins Haus zu schleppen. Bald war der Teppichboden von einer gleichmäßigen Dreckschicht bedeckt, und an den weißgestrichenen Wänden des Flurs zeigten sich schwarze Schlieren. Monsieur Monnier verdoppelte erschrocken den Anteil des Cognacs in seinem Kaffee.
Nach einer Stunde war das Häuschen nicht mehr wiederzuerkennen. Kisten, Kabel, Lampen, Stative, Kamerazubehör und Mikrofone standen und lagen überall herum, die Bilder waren von der Wand genommen und durch andere ersetzt worden, Monsieur Monnier gelang es im letzten Moment, seine zahlreichen Erinnerungsstücke im Schlafzimmer in Sicherheit zu bringen. Möbel wurden umgestellt oder durch andere ersetzt, die der arme kleine Französischlehrer nur als abscheulich bezeichnen konnte. Schließlich besetzten die zwei Maskenbildnerinnen mit einer Fülle von Schminkutensilien die Küche, sein geheiligtes Reich, und breiteten sich mit Kämmen und Tuben, Bürsten, Schwämmchen und Haarspraydosen dort aus.
Nach und nach rückten die Schauspieler an, wurden von Aufnahmeleiter Bösemann in die Küche geschoben und dort von Loni und Spatz, den beiden Maskenbildnerinnen, für die Aufnahme vorbereitet. Herr Dophahn erschien, murrte, daß man noch nicht mit den Vorbereitungen fertig war, und ließ die Möbel ein weiteres Mal umstellen. Monsieur Monnier wollte zu ihm eilen und sich über das Chaos beschweren, stolperte über ein Tonkabel, brachte einen Scheinwerfer ins Wanken und gab resigniert auf. Die Cognacflasche in der Hand, zog er sich ins Schlafzimmer zurück und stellte sich taub. Er war mit seinen Nerven am Ende. Was würde seine Frau sagen!
„Warum geht das Licht nicht? Ist der Trafo angeschlossen?” brüllte draußen jemand.
„Sofort!”
„Bösemann, Telefon!”
„Hier! Loni, ist der Stark fertig? Wir wollen drehen!”
„Paß mit der Kamera auf, das Ding kostet ein Vermögen!”
Rums! machte es, und Monsieur Monnier sah im Geiste die Delle, die jemand in den nagelneuen Türstock geschlagen hatte.
„Herr Stark, Herr Moosmann, Frau Linder in die Dekoration, wir fangen an!”
Jetzt hämmerte einer einen Nagel in die Wand, daß das Haus zitterte. Der kleine Französischlehrer schlug die Hände vors Gesicht. Was würde seine Frau sagen! Das Haus glich inzwischen einer Baustelle – wie sollten sie das jemals wieder in Ordnung bringen!
„Herr Stark! Warum ist Herr Stark noch nicht fertig!”
Donnernde Schritte gingen draußen vorbei – das mußte er wohl sein! Monsieur Monnier steckte vorsichtig den Kopf durch den Türspalt. Vor ihm stand ein Riese mit einem gewaltigen Vollbart und Pranken, so groß wie Monsieur Monniers Omelettepfannen.
„Stark!” stellte er sich vor. „Sind Sie der Garderobier? Ich soll das dunklere Sakko anziehn.”
„Tut mir leid”, sagte Monsieur Monnier erschrocken und schloß die Tür schnell wieder.
Besorgt, der Riese könne ihm folgen, wich er bis ans Fenster zurück. Nein – der brüllte jetzt draußen „Garderobe!” und verschwand Richtung Wohnzimmer. Seufzend drehte sich Monsieur Monnier dem Fenster zu und lehnte erschöpft die
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