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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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oder ein Interview gibt, dann ist es das, was mir gewöhnlich einfällt. Und dann frage ich mich, was die Demokraten denken würden, wenn sie wüßten, daß ihr Fraktionsvorsitzender im Senat des Staates Maine es nie fertiggebracht hat, den Küchentisch vollständig abzuräumen, als er elf Jahre alt war. Aber ich bin stolz auf ihn, das könnt ihr mir glauben. Ich bin stolz auf ihn, obwohl er zu den verdammten Demokraten gehört.
    Auf jeden Fall hatte er es an diesem Abend geschafft, genau das Richtige zu vergessen; der Krug war klein, aber nicht schwer, und er fühlte sich in meiner Hand genau richtig an. Ich ging hinüber zur Holzkiste und holte das Beil mit dem kurzen Griff, das immer auf dem Bord darüber liegt. Dann kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, wo er schlief. Ich hielt den Krug in der rechten Hand und ließ sie einfach niedersausen und hieb ihm den Krug an den Kopf. Er zerbrach in ungefähr tausend Splitter. 
    Er wurde sehr schnell wach, als ich das getan hatte, Andy. Und du hättest ihn hören sollen. Laut? Heiliger Vater im Himmel! Er hörte sich an wie ein Bulle, der sich den Schwanz in der Gartenpforte eingeklemmt hat. Er riß die Augen weit auf und hielt sich die Hand ans Ohr, das bereits blutete. An seiner Backe und in seinem Haar hingen Sahneklümpchen.
    »Weißt du was, Joe?« sagte ich. »Jetzt bin ich gar nicht mehr müde.«
    Ich hörte, wie Selena aus dem Bett sprang, aber ich wagte nicht, mich umzusehen. Ich hätte in Teufels Küche kommen können, wenn ich es getan hätte - wenn er wollte, konnte er verdammt flink sein. Ich hielt das Beil mit der linken Hand, so daß die Schürze es fast verdeckte. Und als Joe versuchte, aus seinem Sessel hochzukommen, holte ich es hervor und zeigte es ihm. »Wenn du das nicht im Kopf haben willst, Joe, solltest du dich lieber wieder hinsetzen«, sagte ich.
    Eine Sekunde lang dachte ich, er würde trotzdem aufstehen. Wenn er es getan hätte, dann wäre das schon damals sein Ende gewesen, denn es war mir todernst damit. Er spürte es und erstarrte mit dem Hintern ungefähr zehn Zentimeter über dem Sitz.
    »Mommy?« rief Selena von der Schwelle ihres Zimmers aus.
    »Geh wieder ins Bett, Kind«, sagte ich, ohne auch nur für eine Sekunde den Blick von Joe abzuwenden. »Dein Vater und ich haben eine kleine Auseinandersetzung.« 
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja«, sagte ich. »Stimmt’s Joe?«
    »Ja«, sagte er. »Alles in bester Butter.«
    Ich hörte, wie sie ein paar Schritte zurücktrat, aber ihre Zimmertür blieb noch kurze Zeit offen - vielleicht fünfzehn Sekunden lang -, und ich wußte, daß sie da stand und uns beobachtete. Joe blieb genau da, wo er war, mit einer Hand auf der Lehne seines Sessels und seinem Hinterteil ein paar Zentimeter über dem Sitz. Dann hörten wir, wie die Tür zugemacht wurde, und dabei schien Joe bewußt zu werden, wie blöd er aussehen mußte, halb im Sessel und halb draußen, mit der anderen Hand am Ohr und den Sahneklümpchen, die von seiner Schläfe herabtropften. Er setzte sich wieder richtig hin und nahm die Hand weg. Sowohl sie als auch sein Ohr waren voller Blut, aber im Gegensatz zum Ohr schwoll die Hand nicht an. »Das zahle ich dir heim, du gemeines Luder«, sagte er. 
    »Ach, wirklich?« erwiderte ich. »Aber dabei solltest du eins nicht vergessen, Joe St. George - was du mir zahlst, bekommst du doppelt zurück.«
    Er grinste mich an, als könnte er nicht glauben, was er da gehört hatte. »Dann werde ich dich wohl umbringen müssen, oder?«
    Ich gab ihm das Beil, noch bevor die Worte richtig aus seinem Mund heraus waren. Ich hatte nicht vorgehabt, das zu tun, aber sobald ich sah, wie er es in der Hand hielt, wußte ich, daß ich gar nichts anderes hätte tun können.
    »Also los«, sagte ich. »Sieh nur zu, daß der erste Schlag sitzt, damit ich nicht leiden muß.«
    Sein Blick wanderte von mir zu dem Beil und kehrte dann wieder zu mir zurück. Wäre die Sache nicht so ernst gewesen, dann hätte der überraschte Ausdruck in seinem Gesicht fast komisch gewirkt.
    »Und dann, wenn du es getan hast, solltest du das Essen auf dem Herd wieder aufwärmen und dir noch eine Portion holen«, erklärte ich ihm. »Iß, bis du platzt, weil du dann nämlich ins Gefängnis gehst, und nach allem, was ich gehört habe, werden dort keine besonders guten Mahlzeiten serviert. Wahrscheinlich bringen sie dich zuerst nach Belfast, und ich wette, daß sie dort einen dieser orangefarbenen Anzüge in genau deiner Größe

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