Dolores
haben.«
»Halt’s Maul, Fotze«, sagte er.
Aber ich dachte nicht daran. »Danach wird man dich wohl nach Shawshank bringen, und daß man dort das Essen nicht heiß vor dich hinstellt, das weiß ich genau. Und sie lassen dich auch nicht freitagabends raus, damit du mit deinen Saufkumpanen Poker spielen kannst. Das einzige, was ich möchte, ist, daß du es schnell tust und aufpaßt, daß die Kinder die Schweinerei nicht sehen, wenn es vorbei ist.«
Dann machte ich die Augen zu. Ich war ziemlich sicher, daß er es nicht tun würde, aber damit, daß man ziemlich sicher ist, kann man nicht viel Wasser aus einem Stein quetschen, wenn das eigene Leben auf dem Spiel steht. Das ist etwas, das ich an diesem Abend begriffen habe. Ich stand da mit geschlossenen Augen, sah nichts als Dunkelheit und fragte mich, was für ein Gefühl es sein würde, wenn mir dieses Beil durch die Nase und die Lippen und die Zähne fuhr. Ich weiß noch, daß ich dachte, daß ich vermutlich die Holzsplitter an der Schneide schmecken würde, bevor ich starb, und ich weiß auch noch, daß ich froh war, es erst vor zwei oder drei Tagen geschärft zu haben. Wenn er mich schon umbringen wollte, dann würde er es wenigstens nicht mit einem stumpfen Beil tun.
Mir war, als hätte ich ungefähr zehn Jahre lang so dagestanden. Dann sagte er, grob und stocksauer: »Willst du nun endlich ins Bett gehen oder weiter so dastehen wie Helen Keller, wenn sie gerade einen feuchten Traum hat?«
Ich öffnete die Augen und sah, daß er das Beil unter seinen Sessel gelegt hatte - ich konnte nur noch das Ende des Griffes sehen, das unter dem Volant herausragte. Seine Zeitung lag wie eine Art Zelt auf seinen Füßen. Er bückte sich, hob sie auf und schüttelte sie aus - er versuchte, sich so zu benehmen, als wäre nichts passiert, überhaupt nichts. Aber da war das Blut, das ihm vom Ohr übers Gesicht lief, und seine Hände zitterten so, daß die Seiten der Zeitung leise raschelten. Außerdem hatte er auf der Vorder- und der Rückseite in Rot seine Fingerabdrücke hinterlassen, und ich nahm mir vor, das verdammte Ding zu verbrennen, bevor ich zu Bett ging, damit die Kinder es nicht sehen und sich fragen konnten, was passiert war.
»Es dauert nicht mehr lange, bis ich mein Nachthemd anziehe, Joe, aber vorher muß eines klar sein zwischen uns.«
Er schaute auf und sagte ziemlich verkniffen: »Werd nicht zu frech, Dolores. Das wäre ein ganz, ganz schwerer Fehler. Ich laß mich von dir nicht auf den Arm nehmen.«
»Ich nehme dich nicht auf den Arm«, sagte ich. »Die Zeiten, wo du mich geschlagen hast, sind vorbei. Das ist alles, was ich sagen wollte. Wenn du es jemals wieder tust, landet einer von uns im Hospital. Oder im Leichenschauhaus.«
Er schaute mich eine halbe Ewigkeit lang an, und ich schaute ihn an. Das Beil lag außerhalb seiner Reichweite unterm Sessel, aber das spielte keine Rolle; ich wußte, wenn ich den Blick senkte, bevor er es tat, dann würden die Knüffe an den Hals und die Schläge in den Rücken nie ein Ende nehmen. Aber schließlich und endlich schaute er wieder auf seine Zeitung und murmelte: »Mach dich nützlich, Frau. Wenn du schon sonst nichts Gescheites tun kannst, bring mir wenigstens ein Handtuch für meinen Kopf. Mein Hemd ist schon voller Blut.«
Das war das letzte Mal, daß er mich geschlagen hatte. Im Grunde seines Herzens war er ein Feigling, obwohl ich ihm das nicht ins Gesicht gesagt habe - damals nicht und auch später niemals. Ich glaube, das ist so ziemlich das Gefährlichste, was ein Mensch tun kann, weil ein Feigling mehr Angst davor hat, daß man es herausfindet, als vor allem anderen, sogar vorm Sterben.
Natürlich wußte ich, daß eine gehörige Portion Feigheit in ihm steckte; ich hätte nie riskiert, ihm den Sahnekrug an den Kopf zu schmettern, wenn ich mir nicht eine ziemlich gute Chance ausgerechnet hätte, daß ich die Oberhand gewinnen würde. Außerdem war mir etwas klar geworden, als ich da auf dem Stuhl saß, nachdem er mich geschlagen hatte, und darauf wartete, daß die Schmerzen in meinen Nieren nachließen: wenn ich mich jetzt nicht zur Wehr setzte, dann würde ich es vermutlich nie tun. Also tat ich es.
Eines kann ich euch sagen - daß ich Joe den Sahnekrug an den Kopf knallte, war eigentlich der einfache Teil. Bevor ich das fertigbrachte, mußte ich ein für allemal die Erinnerung daran loswerden, wie mein Dad meine Mum in die Ecke stieß und wie er ihr dieses Stück nasses Segeltuch um die Beine
Weitere Kostenlose Bücher