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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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eigentlich hatten zahlen wollen. Man hätte meinen können, daß die Masche nach dem Labor Day nicht mehr zog, aber sie funktionierte selbst hier auf der Insel, wo die Leute ihn kannten und es eigentlich besser hätten wissen müssen, erstaunlich gut.
    Tatsache ist, daß Joe, wenn er mich schlug, fast immer stocknüchtern war. Wenn er geladen hatte, kümmerte er sich kaum um mich, weder auf die eine noch auf die andere Art. Dann, ‘60 oder ‘61, kam er eines abends nach Hause, nachdem er Charlie Dispenzieri geholfen hatte, sein Boot aus dem Wasser zu ziehen, und als er sich bückte, um eine Cola aus dem Kühlschrank zu holen, sah ich, daß seine Hose hinten aufgeplatzt war. Ich lachte. Ich konnte einfach nicht anders. Er sagte nichts, aber als ich an den Herd trat, um nach dem Kohl zu sehen - ich kochte eine warme Mahlzeit an diesem Abend, daran erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen -, da holte er ein Stück Zuckerahorn aus der Holzkiste und pfefferte es mir ins Kreuz. Oh, wie weh das tat! Ihr könnt euch das nur vorstellen, wenn euch jemals einer in die Nieren geschlagen hat. Sie fühlen sich klein an und heiß und so schwer, als wären sie im Begriff, sich von dem, was immer sie dort hält, wo sie sein sollen, loszureißen und wegzusacken wie Schrot in einem Eimer.
    Ich humpelte zum Tisch und fiel auf einen der Stühle. Wenn der Stuhl weiter weg gewesen wäre, wäre ich hingeschlagen. Ich saß nur da und wartete darauf, daß der Schmerz nachließ. Ich weinte nicht richtig, weil ich den Kindern keinen Schrecken einjagen wollte; trotzdem liefen mir die Tränen übers Gesicht. Ich konnte sie nicht stoppen. Es waren Schmerzenstränen, die Art, die man für nichts und niemanden zurückhalten kann.
    »Komm nicht noch einmal auf die Idee, über mich zu lachen, du Schlampe«, sagte Joe. Er warf das Holzscheit, mit dem er mich geschlagen hatte, wieder in den Kasten, dann setzte er sich hin, um den American zu lesen. »Daß du das zu lassen hast, hättest du eigentlich schon vor zehn Jahren wissen müssen.«
    Es dauerte zwanzig Minuten, bis ich von dem Stuhl hochkam. Ich mußte Selena rufen, damit sie die Platte unter dem Gemüse und dem Fleisch schwächer stellte, obwohl der Herd nur vier Schritte von der Stelle entfernt war, an der ich saß.
    »Warum hast du es denn nicht selber getan, Mummy?« fragte sie mich. »Ich hab mir gerade mit Joey Zeichentrickfilme angesehen.«
    »Ich ruhe mich aus«, erklärte ich ihr.
    »Das stimmt«, sagte Joe hinter seiner Zeitung, »sie hat ihr Mundwerk laufen lassen, bis sie völlig am Ende war.« Und er lachte. Das gab den Ausschlag; dieses Lachen war alles, was nötig war. In diesem Augenblick kam ich zu dem Schluß, daß er mich nie wieder schlagen würde, wenn er nicht einen hohen Preis dafür bezahlen wollte. 
    Wir aßen zu Abend, ganz wie gewöhnlich, und hinterher saßen wir vor dem Fernseher, auch ganz wie gewöhnlich, ich und die großen Kinder auf dem Sofa und Little Pete auf dem Schoß seines Vaters in dem großen Sessel. Dort schlief er, wie er es immer tat, so gegen halb acht ein, und Joe brachte ihn ins Bett. Joe Junior schickte ich eine Stunde später schlafen, und Selena ging um neun. Ich selbst legte mich gewöhnlich gegen zehn hin, und Joe saß vielleicht bis Mitternacht da, nickte hin und wieder ein, sah ein bißchen fern, las Artikel in der Zeitung, die ihm beim ersten Mal entgangen waren, und bohrte in der Nase. - Du siehst, Frank, so schlimm war das gar nicht; manche Leute gewöhnen es sich nie ab, nicht einmal, wenn sie erwachsen sind.
    An diesem Abend ging ich nicht zu meiner üblichen Zeit ins Bett, sondern blieb zusammen mit Joe auf. Meinem Rücken ging es etwas besser. Auf jeden Fall so gut, daß ich das tun konnte, was ich tun mußte. Vielleicht war ich deswegen nervös, aber wenn ich es war, kann ich mich nicht daran erinnern. Die meiste Zeit wartete ich darauf, daß er einnickte, und endlich tat er es.
    Ich stand auf, ging in die Küche und holte den kleinen Sahnekrug vom Tisch. Ich ging nicht hin, um nach ihm zu suchen; er stand nur dort, weil Joe Junior an diesem Abend mit dem Abräumen an der Reihe gewesen war, und er hatte vergessen, ihn in den Kühlschrank zu stellen. Joe Junior vergaß immer etwas - den Sahnekrug wegzuräumen, die Glashaube über den Butterteller zu stülpen, die Brottüte so einzuschlagen, daß die oberste Scheibe über Nacht nicht austrocknete -, und wenn ich ihn jetzt in den Fernsehnachrichten sehe, wenn er eine Rede hält

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