Dolph Heyliger (German Edition)
auf dem harten Boden. Er ging durch den Obstgarten, immer den Fußpfad einhaltend. Er führte zu einer Quelle, die in einer kleinen Höhle lag und das Landgut mit Wasser versah. Gerade an dieser Quelle verlor ihn Dolph aus dem Gesichte. Er rieb sich die Augen und schaute mehrmals hin, aber es war nichts von dem Unbekannten zu sehen. Er kam zu der Quelle, aber auch hier war Niemand. Der ganze Boden in der Umgegend war offen und rein; kein Busch und kein Platz zum Verstecken war da. Er sah in die Quelle und bemerkte in großer Tiefe den Widerschein des Himmels in dem ruhigen Wasser. Nachdem er hier einige Zeit verweilt hatte, ohne etwas weiter von seinem geheimnißvollen Führer gesehen oder gehört zu haben, kehrte er voll Furcht und Bewunderung nach dem Hause zurück. Er verriegelte die Thüre, tappte im Finstern nach seinem Bette, konnte sich aber lange nicht fassen und einschlafen.
Er hatte seltsame und beunruhigende Träume. Es war ihm, als folgte er dem alten Mann längs dem Ufer eines großen Stromes, bis sie an ein Schiff kamen, das eben unter Segel gehen wollte. Er wußte noch, daß ihn sein Führer an Bord geleitete und dann verschwand. Er erinnerte sich auch des Schiffskapitäns, eines kurzen Mannes, mit krausen schwarzen Haaren, auf einem Auge blind und auf einem Beine lahm; der Rest seines Traumes war sehr verwirrt. Bisweilen war er auf der See, bisweilen an der Küste; jetzt unter Stürmen und Ungewitter, und dann wieder auf der Wanderung durch unbekannte Straßen. Die Gestalt des alten Mannes vermischte sich seltsam mit den Vorgängen im Traume; und das Ganze schloß damit ab, daß er sich wieder an Bord des Schiffes befand und mit einem großen Beutel voll Geld nach Hause zurückkehrte.
Als er erwachte, überzog eine erfrischende Dämmerung den Horizont und die Hähne verkündigten die Reveille von Landgut zu Landgut, durch die ganze Gegend. Er stand auf, ermüdeter und verworrener als je. Er war heftig bestürzt über Alles, was er gesehen und geträumt hatte, und begann zu zweifeln, ob er auch bei Sinnen sei, und ob nicht Alles, was in seiner Seele vorginge, blos die Folge einer Fieberphantasie sei. Bei seinem gegenwärtigen Gemütszustand fühlte er sich nicht aufgelegt, unmittelbar zu dem Doktor zurückzukehren und sich den Forschungen des ganzen Haushaltes zu unterwerfen. Er genoß daher von den Ueberresten der vorhergehenden Nacht noch sein Frühstück und wanderte dann in die Felder, um über alles Das, was ihm begegnet war, nachzudenken. In Gedanken verloren, streifte er umher, sich nach und nach der Stadt nähernd; es war schon fast gegen Mittag, als er durch eine Bewegung und durch einen Lärm in seiner Nähe aufmerksam gemacht wurde. Er befand sich in der Nähe der Küste, in einem Volksgedränge, das zu einem Damm eilte, wo gerade ein Fahrzeug im Begriff stand, unter Segel zu gehen. Unbewußt wurde er durch die Menge mit fortgeschoben und fand, daß es eine Schaluppe war, die eben bereit war, auf dem Hudson nach Albany zu segeln. Alle Frauen und Kinder nahmen Abschied und küßten sich, und es herrschte große Thätigkeit, Körbe mit Brod und Kuchen und Vorräthe aller Art an Bord zu bringen, ungerechnet die mächtigen Fleischstücke, die an dem hinteren Theil des Schiffes hingen; denn eine Reise nach Albany war in damaliger Zeit ein Unternehmen von großer Wichtigkeit. Der Kapitän des Fahrzeuges war eilig und ertheilte eine Masse von Befehlen, die aber eben nicht sehr strenge beachtet wurden, denn Einer war beschäftigt, seine Pfeife anzuzünden, ein Anderer sein Messer scharf zu machen.
Die Erscheinung des Kapitäns erregte mit einem Male Dolphs Aufmerksamkeit. Er war kurz und schwärzlich, mit krausem schwarzen Haare; auf einem Auge blind und auf einem Beine lahm – derselbe Kapitän, den er in seinem Traum gesehen hatte! Ueberrascht und voll Staunen betrachtete er sich die Scene aufmerksamer und erinnerte sich immer mehrer Bilder seines Traumes; die Erscheinung des Fahrzeuges, des Flusses und eine Menge anderer Gegenstände stimmten vollkommen mit den unbestimmten Bildern, die aus seiner Erinnerung auftauchten, überein.
Als er so über diese Umstände nachdenkend dastand, rief ihm der Kapitän plötzlich auf holländisch zu: »Geht an Bord, junger Mann, oder man wird Euch zurücklassen!« Er stutzte bei dieser Aufforderung; er sah, daß die Schaluppe die Anker lichtete und sich vom Damme wegbewegte. Es schien, als wenn er von einer unwiderstehlichen Gewalt getrieben wurde; schnell
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