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dass sie ihm ins Gesicht sehen musste. »Es tut mir leid«, sagte er. »Du glaubst vielleicht, dass ich mich über deine Bemühungen, mir zu helfen, lustig mache, aber das ist nicht der Fall. Ich bin dir sogar dankbar. Ich fühle mich besser, wenn ich über den Unfall sprechen kann. Man kann seine Erinnerungen nicht unter Verschluss halten. Und was du über die atomare Katastrophe gesagt hast, ist wahr. Die Bombe verwischt die individuelle Schuld, die jeder von uns empfindet.«
Kates Spannung wich. Sie lehnte sich an ihn. »Bin ich der erste Mensch, zu dem du über den Absturz des Hubschraubers sprichst?«
»Keineswegs. Ich habe zum Beispiel mit Harry darüber gesprochen, mit meinem Partner.«
»Und sonst?«
»Mit meinem Arzt. Kein Psychiater. Ein ganz normaler Allgemeinmediziner. Möchtest du Einzelheiten hören?«
Sie nickte.
»Ein Jahr nach dem Unfall bekam ich eine
Hodenentzündung, jedenfalls glaubte ich das. Ich ging zum Arzt, und dessen Diagnose ergab etwas anderes. Entzündete Prostata. Die Ursache wäre Stress, so erklärte er mir. Ich fragte ihn, ob er die berufliche Beanspruchung meinte. Nein, sagte er.
Die Wahrheit war, dass ich meine Gefühle zu gut unter Kontrolle hatte. Ich hatte nach dem Absturz weitergelebt, als ob nichts wäre. Normal wäre gewesen, wenn ich einen Nervenzusammenbruch gehabt hätte. Und jetzt rächte sich mein Körper, weil ich mit ihm Verstecken gespielt hatte. Die entzündete Prostata war das physische Symptom für die seelische Erkrankung. Nun, ich wurde behandelt, die Schmerzen gingen weg.«
»Aber das schlechte Gewissen blieb.«
»Eben nicht. Meine Seelenqualen hielten sich sehr in Grenzen, und die gesundheitlichen Auswirkungen waren bald vorüber. Eigentlich bin ich bei dem Handel ganz gut weggekommen. Die Passagiere des Hubschraubers haben für meinen Fehler mit dem Tod bezahlt, ich nur mit einer schmerzhaften Prostata.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du ziehst die Sache ins Lächerliche, aber du kannst mich nicht täuschen. Du hast unter den Folgen des Absturzes seelisch sehr gelitten, und du leidest immer noch, auch wenn du das vor den Menschen und dir selbst verbergen willst. Wir haben von Sühne gesprochen, von Strafe. Du vergisst bei alledem eines. Es ist nicht das Leben, das uns bestraft, wir sind es selbst. Wir zimmern uns unser eigenes Kruzifix und nageln uns daran fest.«
Culver war so überrascht, dass es ihm die Sprache verschlug.
Er war sich nicht im Klaren, ob er mit Kates Anschauungen übereinstimmte. Aber eines stand fest, er hatte das Mädchen unterschätzt. Dabei hätte ihm schon im Bunker auffallen müssen, dass sie ein Mensch war, den man nicht mit den anderen über einen Kamm scheren konnte. Die umsichtige Art, wie sie die Ärztin bei der Behandlung und Pflege der Kranken und Verletzten unterstützt hatte, der Mut, mit dem sie sich den Herausforderungen nach der Katastrophe stellte, all das hob Kate aus der Gruppe der Überlebenden heraus. Spätestens bei der Flucht aus dem Bunker hatte sie bewiesen, dass sie nicht zu den jungen Damen gehörte, die schwierige und gefährliche Situationen dadurch zu lösen versuchten, dass sie in Ohnmacht fielen.
»Warum siehst du mich so an?« fragte Kate. »Habe ich etwas gesagt, was dich verletzt hat?«
»Ich weiß nicht.« Er küsste sie auf die Stirn. »Es könnte sein, dass du recht hast. Ich frage mich nur, warum du mir das alles nicht schon früher gesagt hast.«
Kates Zorn war verflogen. »Ich habe eine Gegenfrage.
Warum hast du mir nicht schon früher von dem
Hubschrauberabsturz erzählt?«
Er wollte etwas antworten, als sein Blick abgelenkt wurde.
Einer der Männer, die in wenigen Metern Entfernung auf dem verbrannten Rasen lagen und schliefen, hatte sich bewegt.
»Lassen wir das Thema für ein anderes Mal. Ich glaube, unsere Freunde wachen auf.«
»Steve…«
Er hatte aufstehen wollen, sie hielt ihn fest. Erst als sie ihn geküsst hatte, gab sie ihn frei.
Ein angsterfüllter Schrei: »Mein Gott, wo sind wir?«
Culver antwortete. »Beruhigen Sie sich, Ellison. Sie sind in Sicherheit.«
Er zog sich die Stiefel an und humpelte zu dem Techniker hinüber. Kate folgte ihm.
Ellisons Schrei hatte die anderen Männer aufgeweckt. Sie blinzelten und starrten in den sonnenschwangeren Dunst.
Culver zählte: Ellison, Dealey, Fairbank, Jackson. Außerdem Dene, ein Techniker. Das ergab fünf. Wenn er Kate und sich selbst dazurechnete, waren sie sieben. Hatten sie den Rest der Gruppe bei der Flucht durch
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