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Domain

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Titel: Domain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Ärztin mit einem erstaunten Blick. Sie setzten ihre Unterhaltung fort, als Clare die Brille hochgenommen und sich eine Zigarette angezündet hatte.
    Sie schloss die Augen und sog den Rauch ein. Nikotin war schlecht fürs Herz, aber gut für die Konzentration.
    Und sie wollte sich konzentrieren. Simon, ihr Ehemann, bester Freund und zärtlicher Liebhaber, war tot. Der grausame Traum hatte nur bestätigt, was sie schon wusste. Simon war Chirurg gewesen, ein Mann, der vielen Menschen das Leben gerettet hatte. Als die Bomben fielen, hatte er im St.-Thomas-Krankenhaus operiert. Sie wusste, er hatte keine Überlebenschance gehabt. Das Gebäude war von der Druckwelle dem Erdboden gleichgemacht worden. Gott sei mit dir, Simon, ich liebe dich. Ich hoffe, du hast nicht lange gelitten.
    Als sie das erste Mal aus ihrem Alptraum aufwachte, war Kate dagewesen. Das Mädchen hatte sie in die Arme genommen und sie getröstet. Und dann war Clare
    aufgestanden. Sie war mit Kate in die Kantine gegangen, die Tag und Nacht geöffnet war. Sie hatten Kaffee getrunken und geredet, stundenlang. Clare wusste damals noch nicht, dass der Alptraum wiederkehren würde. Aber sie spürte, dass Kates Zuneigung für sie sehr wichtig war. Als sie mit ihr sprach, waren die Rollen ins Gegenteil verkehrt, Clare war die Patientin, und das Mädchen war die Ärztin. Morgen früh würde Clare wieder die kühle, vielleicht etwas zynische Medizinerin sein, die Frau, die nichts so leicht umwerfen konnte, aber nachts, wenn sie aus ihren grauenhaften Träumen hochfuhr, war sie nur eine Frau, eine einsame Seele, jemand, der sich an der Schulter eines lieben Menschen ausweinen wollte.
    Der Mann am Nebentisch hatte die Hand der Frau ergriffen, die ihm gegenübersaß. Clare kannte die Frau, sie hatte vor der Katastrophe in der Telefonzentrale gearbeitet, die zum Bunker gehörte. Und jetzt streichelte er ihren Oberarm. Seine Fingerspitzen näherten sich ihren Brüsten. Die Frau lächelte, Clare wandte sich ab. Nicht, weil sie Ekel oder Neid empfand.
    Der Grund war, dass die liebevolle Geste Clare auf Gedanken brachte, die sie seit Wochen ohne Erfolg auszublenden versuchte. Gedanken, die ihre eigene Sexualität betrafen.
    Die Beziehung zwischen Simon und ihr war in jeder Hinsicht befriedigend gewesen, geistig und körperlich befriedigend.
    Simon hatte sie glücklich gemacht, er war ein aufmerksamer Liebhaber gewesen. Nicht, das, was manche Frauen als As im Bett bezeichneten, aber ein Mann, der bei der Liebe nicht nur an sich dachte. Gewiss, der ärztliche Beruf war sowohl für ihn als auch für Clare eine starke Belastung gewesen, das war auch der Grund, warum sie einvernehmlich auf Kinder verzichtet hatten. Aber sie waren glücklich miteinander gewesen, glücklich auch im Bett. Sex mit Simon, das war eine wunderbare Erfahrung gewesen. In den Wochen nach der Katastrophe hatte Clare keinen Gedanken mehr an Sex verschwendet. Das Bedürfnis nach körperlicher Liebe schien ausgelöscht. Jedenfalls tagsüber. Die Nächte, das war eine andere Geschichte.
    Die Alpträume.
    Ihr toter Gemahl war zu ihr gekommen und hatte ihre Hand ergriffen. Sie hatte sein geschwärztes Skelett gestreichelt, die Schulterknochen, den Brustkorb. Sie hatte die Fleischfasern betrachtet, die dem Feuer widerstanden hatten, winzige blutverkrustete Reste, auf denen weiße Würmer herumkrochen.
    Von seine Muskeln war nichts übriggeblieben. Nur…
    Nur die Genitalien. Das Skelett verfügte über einen wunderschönen Penis, der sich durch die Kleidung schob. Das stolz erhobene Glied war der einzige Teil seines Körpers, in dem noch warmes, lebensspendendes Blut pulste.
    Sie verdrängte das Bild, die Erinnerung war zu schmerzhaft.
    Sie wusste, dass sie in ihren Träumen mit Simon geschlafen hat, nicht mit ihm, sondern mit seinem Skelett, aber sie hatte sich das nie eingestanden. Jetzt, als sie sah, wie der Mann am Nebentisch die Frau streichelte, war ihr klar geworden, dass Sex nichts war, was mit dem Tod des Partners endete.
    Andererseits, die Freuden des Betts waren nicht so wichtig.
    Mein Gott, es ist wirklich nicht so wichtig.
    Clare wusste – dies gehörte zu ihrer medizinischen Ausbildung – dass die Nähe des Todes die Lebenden zu körperlicher Liebe anspornt. Es war nur natürlich, dass sie Lust auf Sex hatte. Der Körper hatte Bedürfnisse, die befriedigt werden wollten. Aber all das erklärte nicht, warum sie so obszöne Träume hatte.
    Warum?
    Plötzlich meinte sie, die Antwort gefunden zu

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