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Domain

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Titel: Domain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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haben. Ihre Träume waren obszön, weil die Welt, in der sie gelebt hatte, eine einzige Obszönität geworden war. Im Augenblick der Katastrophe war alles, was sie liebte, zerstört und beschmutzt worden. Vergiftet. Welchen Respekt konnte man noch vor der Spezies Mensch haben, wenn die Menschheit den kollektiven Selbstmord inszenierte? Welche Befriedigung konnte man aus der Betrachtung eines Kunstwerks ziehen, wenn es zu Asche verbrannt war? Wie konnte man die kühle Brise auf den Wangen genießen, wenn der Wind todbringende Substanzen mit sich trug? Wie konnte man sich an Sex erfreuen, wenn der Körper des Partners in Verwesung übergegangen war? Und doch blieb das Bedürfnis nach körperlicher Liebe. Es hieß, dass die Reichen in Rom ihre Gladiatoren am Vorabend der Kämpfe zu sexuellen Aktivitäten ermuntert hatten. Sie hatten zugeschaut, wie ihre todgeweihten Sklaven mit Dirnen kopulierten, und die Befriedigung, die sie dabei verspürten, war die gleiche gewesen, die sie am Tag darauf auf dem Höhepunkt des mörderischen Schauspiels erlebten. Gab es nicht sogar Videofilme, wo gezeigt wurde, wie Menschen aus Fleisch und Blut, nicht Schauspieler, abgeschlachtet wurden, und war es nicht der sexuelle Kitzel, der die Menschen dazu trieb, sich solche Filme anzusehen?
    Clare drückte die Glut ihrer Zigarette aus. Tatsache war, dass sie einmal eine Autopsie an der Leiche eines Mannes durchgeführt hatte, der noch im Tode eine Erektion gehabt hatte.
    Sie musste lächeln, als sie sich ihrer abwegigen Gedanken bewusst wurde. Warum eigentlich erfand sie komplizierte Entschuldigungen für Empfindungen, die ganz natürlich waren? Ich habe sexuelle Bedürfnisse, was ist so schlimm daran? Ich habe seit ein paar Wochen mit keinem Mann mehr geschlafen, und ich habe Lust drauf. Man kann Lust nicht verbieten. Auch Witwen mögen Sex. Das Problem war, dass es keinen Mann im Bunker gab, mit dem Clare Reynolds gern ins Bett gestiegen wäre. Niemand. Der Grund war sehr einfach.
    Sie wollte keinen Penis, sie wollte einen lieben, zärtlichen Mann.
    Es war ein irritierendes Gefühl, zu wissen, dass Kate der einzige Mensch war, zu dem sie sich hingezogen fühlte.
    Jawohl, auch körperlich. Das Gefühl war irritierend, weil sie wusste, dass sie keine Lesbierin war. Trotzdem, der Gedanke war verlockend. Ob Kate mit ihr schlafen würde?
    Wahrscheinlich nicht. Die Sache würde auf der seelischen Ebene bleiben. Was ein wichtiger Teil der Liebe war, aber eben nur ein Teil. Wie schade. Ein Lächeln des Bedauerns spielte um Clares Lippen. C’est le Holocaust.
    Sie trennte die Glut vom Filtermundstück, indem sie die Zigarette zerbrach. Genug geraucht, Dr. Reynolds. Ihre professionellen Künste werden gebraucht. Sie können später wieder in Ihren Selbstvorwürfen herumwaten, im Augenblick ist Alistair Bryce wichtiger. Alistair Bryce muss seine Spritze bekommen. (Wenn er wüsste, was für Schmerzen ihm bevorstehen!) Und dann gab es noch ein paar Patienten, die auf ihre Beruhigungspille warteten. (Ich könnte eigentlich auch eine nehmen, nur ausnahmsweise, damit ich besser schlafe.) Gott sei Dank zeigten die Strahlungspaletten der drei Männer, die von ihrem Ausflug auf den Friedhof (hübscher Witz) zurückgekommen waren, keine besorgniserregenden Rem-Werte. Was Bryce anging, so musste man abwarten. Wenn die Tollwut bei ihm ausbrach, würde Clare ihm den Übergang in die andere Welt erleichtern. Nein, sie hatte keine Skrupel, einem leidenden Mitmenschen diesen Dienst zu erweisen. Sie würde ihm ihren ›Brompton Cocktail‹ zu trinken geben, eine tödliche Mischung aus Heroin, Kokain und Gin. Aber Frau Dr.
    Reynolds, Sie haben vergessen, dass es kein Kokain im Bunker gibt. Macht nichts. Es gibt andere Rauschmittel, die den gleichen Zweck erfüllen. Was es sonst noch zu tun gab? Nun, sie hatte noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten. Bestimmte Personen in diesem Bunker waren so unglaublich dumm…
    Das war der Augenblick, als Clare die ersten Hilfeschreie hörte. Die Menschen, die zu dieser späten Stunde noch in der Kantine saßen, erstarrten. Die Schwingtüren öffneten sich. Die Flut rauschte herein.
    Die Hölle brach los.
    Tische und Stühle wurden fortgeschwemmt. Tassen tanzten auf dem Wasser wie Plastikenten, die ein Kind in die Badewanne geworfen hatte. Clare wurde gegen den Tisch geschleudert, an dem das Liebespaar gesessen hatte, der Tisch kippte um.
    Als die Flutwelle die Wand erreicht hatte, war die Gewalt gebrochen. Die Woge schwappte

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