Domfeuer
Jax, und dann fliehe ich mit ihm aus der Stadt. Wir müssen fort, so schnell es geht.«
»Ich habe auch eine gute Nachricht.« Er genoss es, Jenne auf die Folter zu spannen. Endlich einmal war er derjenige, der die Richtung vorgab. Er griff in sein Gewand und zog eine Rolle heraus.
»Was ist das?«
»Ein Pergament.«
»Das sehe ich. Aber wo steckt die gute Nachricht?«
»Der Erzbischof hat es mir eben zugesteckt. Ich soll damit zum Schöffengericht gehen und es vorzeigen, sagt er. Angeblich steht darin geschrieben, dass ich den Mörder der drei Kaufleute gestellt habe. Und damit Anspruch auf die Belohnung habe.«
»Du?«
»Ja, ich. Sobald ich das Geld abgeholt habe, kann ich meine Schulden bei dir begleichen.«
Eine Weile schwiegen und lächelten sie sich an. Paulus fand Jennes Zahnlücke noch immer bezaubernd. Dann stach Jenne ihn mit dem Zeigefinger in die Rippen. »Du hast mich gesucht. Das finde ich schön.«
Paulus spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Und gleich darauf wallte der Ärger darüber in ihm auf. Er wollte sich nicht dafür schämen, sie gesucht zu haben. Er wollte etwas ganz anderes. »Ich glaube, ich werde dich küssen müssen«, sagte er leise.
Jenne riss die Augen auf. »Was müssen?«
»Küssen.«
»Müssen?«
»Müssen!«
»Du redest wirr.«
»Ich weiß. Es ist mein gutes Recht.«
Dann drückte er sie wieder an sich. Mit dem Zeigefinger hob er ihr Kinn ein wenig an, näher an seinen Mund. Sie ließ es geschehen. Dann fanden sich Paulus und Jennes Lippen wie von selbst. Ihr Kuss inmitten der Ruine dauerte ewig. Lange genug jedenfalls, dass Paulus glaubte, um sie herum könnte inzwischen der neue Dom gebaut worden sein.
»Heiliger Antonius von Padua«, sagte er, als sie sich voneinander lösten.
Fragend sah Jenne ihn an. »Für was ist denn Antonius zuständig?«
»Das«, sagte Paulus mit einem Lächeln, »wirst du selbst herausfinden müssen.«
EPILOG
KÖLN, VIER WOCHEN SPÄTER
Goswin saß fest in seinem Sattel und ließ sich vom schweren Schritt seines Kaltbluts beinahe in den Schlaf wiegen. Er genoss die leichte Brise, die vom Rhein herüberwehte, und hätte glücklicher nicht sein können. Zuerst hatte er sich noch selbst verflucht, denn wieder hatte er der Versuchung nachgegeben und gegen guten Lohn einen zweifelhaften Auftrag angenommen. Das verdammte Geld! Dann aber erkannte er, welch einfache Aufgabe er und die anderen Treidelknechte zu lösen hatten. Dieser Zug war kein Vergleich zu dem Höllenschiff.
Der Auftrag kam zum allerbesten Zeitpunkt. Das fand auch sein Weib. Nachdem Goswin der teuflischen Kogge vor einem Monat den Rücken gekehrt hatte und heimgeritten war, hatte sie ihm unterbreitet, dass sie schon im Spätsommer sein fünftes Kind erwartete. Fünf kleine Mäuler würde er zu stopfen haben!
Der Lohn für den neuen Auftrag war so verlockend hoch, dass Goswin dafür von Köln aus viele Meilen weiter stromaufwärts treidelte. Er sah hinaus auf den Rhein und zu dem Oberländer, den er und die anderen Treidelknechte gegen den Strom zogen. Es waren nicht viele Pferde vonnöten, denn das Schiff war nahezu leer. Als Goswin beim Führer des Treidelzugs nachhakte, warum sie denn für eine solch leichte Fracht derart fürstlich entlohnt wurden, erhielt er eine Antwort, die ihm gefiel.
Der Lohn sei fürstlich, weil die Fracht königlich sei. Drei königliche Leichen befänden sich auf dem Schiff.
Der Zugführer, ein älterer Herr mit Namen Roland, klärte Goswin über die Toten auf. Der besseren Haltbarkeit wegen seien sie in Salz eingelegt. Aus gutem Grund, denn ihnen stünde eine lange Reise bevor. Der Auftrag laute, sagte Roland, die Toten bis nach Mailand zu bringen. Doch als der Zugführer ihm zuzwinkerte, den Zeigefinger an die Lippen legte und erzählte, an Bord seien die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die Erzbischof Konrad von Hochstaden der Stadt Mailand zum Geschenk mache, fühlte Goswin sich doch ein wenig auf den Arm genommen. Die Heiligen Drei Könige in Mailand? Welch ein Unfug.
Aber gram war er Roland nicht. Goswin war bester Laune und daher auch zu Scherzen aufgelegt. Auch wenn es ein schlechter Scherz war. Die Mailänder jedenfalls, dessen war er sich sicher, würden Augen machen.
ENDE
Nachwort des Autors
In diesem Buch steckt viel Dichtung, aber auch reichlich Wahrheit, etwa über die Brabanzonen oder das Hurenhaus »Sconevrowe« in der Schwalbengasse, das schon 1286 erstmals urkundlich erwähnt wird und zu den
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