Domfeuer
wollte.
Der vorderste Reiter zog bereits seine Peitsche hervor. Für gewöhnlich ließ er sie so oft knallen, wie Treidelknechte im Zug waren. Es war das Zeichen für den Wirt der Herberge, wie viele Krüge Bier er bereitstellen und wie viele Schlafstellen er herrichten lassen sollte.
»Steck die Peitsche weg!«
Goswin kauerte sich tiefer auf seinen Gaul. Das war die Stimme des Leibhaftigen, der vom Schiff herüberrief. Goswin wünschte, er hätte wie sein alter Klepper auf dem linken Auge eine Scheuklappe, damit auch ihm die Sicht auf den Fluss versperrt war. Obwohl längst schon kein Licht vom Rhein mehr sein Pferd blenden konnte, nahm Goswin ihm die Klappe nicht ab. Er fürchtete, der Gaul könnte beim Anblick von Schiff und Teufel durchgehen.
Der Mann mit der Peitsche wandte sich um. »Es muss sein«, rief er dem Unbekannten auf dem Schiff zu. »Ich will dem Wirt Bescheid geben.«
»Steck sie weg. Wir ziehen weiter.«
»Herr, das geht nicht. Es wird bald stockdunkel, wir haben Neumond. Und die Pferde sind völlig erschöpft. Wir können nicht weiterziehen.«
»Ich sagte, wir ziehen weiter. Bringt dieses Schiff heute ans Ziel – sonst gibt es kein Geld.«
Der Mann mit der Peitsche rutschte auf dem Rücken seines Pferdes hin und her. »Es war nie die Rede davon, bis wann Ihr in Köln sein wollt.«
»Dann betrachte die Abmachung nun als geändert.«
Niemand wagte seine Stimme zu erheben, nicht einmal ein Murren war zu vernehmen. Sie setzten ihre Reise fort, und die Fackeln leuchteten ihnen den Weg in der Dunkelheit. Ein Käuzchen über ihnen rief seinen traurigen Ruf. Von dort oben musste der Zug aussehen wie ein riesiger Tropfen glühenden Eisens, der auf Köln zurann.
Goswin drückte sich noch tiefer in den Sattel.
»Und sie ist wirklich unberührt?«
Pieter de Witte saß auf einer weichen Bettstatt und richtete sich auf. Der Hurenwirt zog den Vorhang ein Stück zurück, um ihm einen Blick auf das Mädchen zu gewähren. Pieters Finger begannen, wie von allein über sein Wams zu tippeln. Er konnte es kaum erwarten, mit ihnen über den Leib des Mädchens zu fahren. Der Duft von Rosenöl hing schwer in der Luft, und Kerzen gaben ihr gelbwarmes Licht ab. Auf dem Schemel neben dem Nachtlager stand ein Krug mit dampfendem Malvasierwein, dazu ein Schälchen Honig – Vorboten eines verschwenderischen Vergnügens.
Pieter de Witte hatte all die anderen Geschäfte, die er noch zu tätigen gedachte, für einen Abend hintangestellt. Er hatte heute eine Schiffsladung Kölnischen Tuches zu einem derart günstigen Preis gekauft, dass der Gewinn, den er sich in Brügge erhoffte, ihm bereits jetzt etwas Außergewöhnliches ermöglichen sollte. Und Henner, der Hurenwirt, hatte etwas ganz Besonderes zu bieten. Das Haus an der Schwalbengasse war bekannt dafür, gelegentlich solch ausgefallene Wünsche zu erfüllen. Gegen eine stattliche Summe natürlich, denn rund um den Berlich galten die gleichen Gesetze wie im Marktviertel unten am Rhein. Ein knappes Angebot trieb den Preis in die Höhe. Doch dafür hatte Pieter Verständnis. Er war sein Leben lang Kaufmann gewesen.
Aus der Schankstube ein Stockwerk tiefer drang gedämpft Gelächter. Das Haus »Zur schönen Frau« war gut besucht, auch wenn es nicht zu den feineren Unterkünften gehörte. Männer mit kleinem Geldbeutel kamen hier auf ihre Kosten, und mancher suchte einfach nur eine warme Mahlzeit und einen guten Schluck Wein oder selbst gebrautes Bier.
»Nun sag schon, ist sie unberührt?« Pieter griff sich an den Kragen und verschaffte seinem Hals Luft.
»Zweifelt nicht an meinem Wort, Witte«, sagte Henner und schob den Vorhang langsam wieder etwas vor das Mädchen. Niemand verstand sich so gut wie er darauf, Begierden zu wecken.
Pieter erhob sich und ging ein paar Schritte auf die Kleine zu. Sie zitterte. Kalt konnte ihr nicht sein, denn die Schwüle des Tages hing noch in der Kammer, und Henner heizte sein Haus gut, damit seine Kunden auch dann nicht froren, wenn sie sich ihrer Kleidung entledigt hatten. Also hatte sie Angst. Das erregte Pieter nur noch mehr.
»Wie, sagtest du, heißt sie?«
»Jenne.« Der Hurenwirt grinste. »Jenne Schönauge.«
Pieter konnte sie hinter dem Vorhang nur zur Hälfte sehen. Ihren Kopf hielt sie gesenkt, das blonde Haar fiel ihr wie ein Schleier ins Gesicht. Das lange weiße Hemd verhüllte den Körper kaum. Unter dem fast durchsichtigen Stoff zeichneten sich runde und ansehnliche Brüste ab, die zu dem sonst eher
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