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Don Blech und der silberne Regen

Don Blech und der silberne Regen

Titel: Don Blech und der silberne Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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Wattefaust in die Höhe und wuchs rasch. Sie stieg höher auf, wurde lang wie ein Arm, dessen Muskeln anschwollen. Dann spreizten sich langsam die Finger — und da erschien ein Kopf — da blähte sich eine Brust — und was zunächst weiß gewesen war, färbte sich nun drohend dunkel.
    Und auch die Sonne verdunkelte sich: Der Regenriese kam.
    Schnell, sehr schnell flüchteten die Wattels in ihre Zelthäuser. Von dort aus lugten sie neugierig auf den Platz, wo Klein-Wattoneon winzig und verlassen stand.
    Am liebsten hätte er Reißaus genommen.
    Nun rührte sich der Wind. Äste rauschten, Holz knarrte und Klein-Wattoneon fröstelte. Da glaubte er die spöttischen Worte Wattelas noch einmal zu hören. Und er packte sein Werkzeug fester, warf einen verzweiflungsvollen Blick zurück zum Wattepalast und schritt entschlossen aus der Stadt.
    Vor Wattelstadt wölbte sich ein einziger Hügel. Den bestieg er. Hier wuchs kein Baum, kein Strauch, nur niedriges Gras. Er reckte sich auf. Groß wurde er nicht dadurch. Er erhob sich auf die Zehenspitzen. Er blies seine Brust und Backen auf: Leb wohl, Watteia, du siehst mich niemals wieder!
    Dann stimmte er einen Kampfgesang an, den er sich gerade ausgedacht hatte:

    »Ich, Klein-Wattoneon und kein Zwerg,
    bin größer als ein hoher Berg,
    bin größer als die Riesen
    und ich bezwing mit einer Hand
    den Regen überm Heimatland
    und muss nicht einmal niesen!«

    Was dann geschah, vermochte er später nicht mehr zu erklären. Es geschah viel mehr mit ihm, als er so rasch begreifen konnte. Aber zwei alte Wattels, die seinen heldenhaften Kampf durch Ferngläser beobachteten, machten sich gegenseitig auf alles aufmerksam:
    »Siehst du, wie er mit der Fädcheneinsammelzange in der Luft herumzippt?«
    »Er fängt wohl Mücken?«
    »Unsinn, er fängt Regentropfen!«
    »Wahrhaftig: Zick! — zick!. — zick! Jetzt hat er wohl einen?«
    »Pfui Nässe! Regentropfen, Regentropfen, der arme Kerl, es kommen ja immer mehr!«
    »Ja, jetzt reißt er auch die Fusseleinsammelschaufel von der Schulter und hält sie sich über den Kopf.«
    »Das nützt ihm aber nichts, die Tropfen pladdern...«
    »Und Klein-Wattoneon hüpft und springt, zappelt hierhin und dorthin, fuchtelt mit den Armen, mit den Werkzeugen... «

    »Da, wird etwa der Himmel schon heller?«
    »Ach nein, der Regen regnet immer schneller!«
    »Was heißt da noch Regen, es rauscht...«
    »Es rauscht nicht, es fließt — «
    »Es fließt nicht, es sprudelt...«
    »Klein-Wattoneon ist verloren. Ganz zusammengequatscht ist er schon, kaum noch ein Strich... er kann sich nicht mehr halten... «
    »Er läuft, er rennt, rette dich, rette dich!«
    »Wohin soll er sich denn retten, davongespült wird er... «
    Ja, der Himmel öffnete alle Schleusen. Lange hatte es schon nicht mehr so geschüttet. Klein-Wattoneon war längst durchnässt. Wohin konnte er fliehen, ehe er sich ganz auflöste?
    Das Wasser nahm ihm jede Entscheidung ab. Viele kleine Bäche gurgelten den Hügel hinunter. Einer riss Klein-Wattoneon mit sich. Er floss dahin, drehte sich um die eigene Achse, wirbelte im Strudel, schoss um Gestein, wurde um Äste gelegt und wieder abgewickelt. Es quirlte, rieselte, plätscherte, stürzte, strömte...
    Dann hörte es auf zu regnen.
    Doch die Ströme rannen durch die Stadt der Wattels. Die Zeltleinwände waren durchnässt. Es tropfte in die Bettdosen, auf die Wattebäusche, drang durch die Fäserchen, war kalt, eisekalt. Die Wattels bibberten und zogen sich in die einigermaßen trockenen Ecken zurück, wo sie sich zusammenkauerten, um sich gegenseitig zu wärmen.
    Niemand mochte die schlammige Flut sehen, die sich durch die Straßen wälzte. Und niemand sah deshalb darin, zwischen Gras und Holzstückchen, die aufgelöste Blüte, den zerfaserten Helden.
    An den untersten Stufen der Treppe blieb er liegen. Watteia lugte durch den Torvorhang des Wattepalastes. Wo war nun der Besieger des Regens? Sie sah ihn, lächelte halb spöttisch, halb mitleidig und sagte zum Obereinpuderer: »Häng ihn auf die Trockenleine!«
    Und das tat der Obereinpuderer mit spitzen Fingern und abgewendetem Gesicht.

Ein Entschluss

    Junker Hohlkopf trieb auf dem Meer. Er lag auf der morschen Türfüllung. Er wurde auf und ab geschaukelt. Ringsum war alles grau. Graues Wasser, grauer Himmel. Oder schwarze Nacht.
    So trieb Junker Hohlkopf — und so trieb es ihn. Er wusste nicht, wohin.
    Ein Tag nach dem anderen verging. Und eine Nacht nach der anderen. Er zählte sie

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