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Don Camillo und seine Herde

Don Camillo und seine Herde

Titel: Don Camillo und seine Herde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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hereinschlurfen, und die Gnädige nahm wieder Haltung ein. Als das Mädchen draußen war, wandte sich die Gnädige zu ihrem Gatten.
    «Was stellt er sich eigentlich vor?»
    «Nichts», erklärte der Vater und breitete hilflos die Arme aus. «Sein Betragen ist gut, und niemand klagt über ihn. Fragt man ihn aber, antwortet er nicht, und macht er Schularbeiten, so schreibt er kein Wort, das nicht eine Dummheit wäre. Die Lehrer haben es mir nicht gesagt, aber mir zu verstehen gegeben, daß er in ihren Augen ein Idiot ist.»
    «Er ist kein Idiot!» schrie die Gnädige. «Er ist ein Schuft! Jetzt ist es aber aus! Er muß endlich darauf kommen, wie man lernt! Ich bin entschlossen, alle erdenklichen Opfer auf mich zu nehmen, aber er muß in ein Konvikt.»
    Die beiden Schwestern blickten geringschätzig auf Gigino.
    «Die Leidtragenden sind wir!» rief die Ältere, die bereits auf der Universität war.
    «Wir, die keine Schuld trifft, müssen leiden», fügte die andere hinzu, die im Lyzeum eine der Besten war.
    «Leidtragende sind wir alle», sagte der Vater. «Wenn es in einer Familie so ein Unglück gibt, lastet es auf allen. Sollte ich auch wie ein Hund leben müssen, ich gebe ihn unbedingt ins Konvikt.»
    Gigino war ein schüchterner Junge von jener Art, die wenig reden. Diesmal aber übermannte ihn die Verzweiflung, und er sprach:
    «Ich will nicht mehr lernen», sagte er, «ich will Mechaniker werden!» Die Gnädige sprang auf und versetzte Gigino eine Ohrfeige.
    «Ich will Mechaniker werden», wiederholte Gigino.
    Der Vater legte sich ins Mittel.
    «Beruhige dich, Maria. Nur keine Szenen! Laß ihn nur reden. Er kommt ins Konvikt, und dort wird man schon Mittel und Wege finden, ihn zum Lernen zu bringen.»
    «Ich will nicht mehr lernen!» sagte Gigino hartnäckig. «Ich will Mechaniker werden!»
    «Geh auf dein Zimmer!» sagte der Vater.
    Gigino ging, und die Runde setzte die Beratung fort.
    «Es ist mehr denn notwendig, ihn in ein Konvikt zu geben», behauptete die Gnädige. «Jetzt widersetzt er sich noch, aber einmal würde es doch zu fürchterlichen Auseinandersetzungen kommen.»
    «Ich sorge schon dafür», beteuerte der Vater. «Heute konnte ich mich noch beherrschen, in Zukunft dürfte es mir aber nicht mehr gelingen.»
    «Dieser Bub bringt meine Galle in Aufruhr», sagte die Gnädige. «Andererseits können wir aber nicht zulassen, daß er durch sein ewiges Sitzenbleiben zum Gelächter der ganzen Stadt wird. Wenn man einen guten Ruf hat, muß man ihn um jeden Preis wahren.»
    «Gewiß», stimmte der Vater bei. «Der Sohn unseres Hausmeisters hat die erste Mittelschulklasse mit Gigino besucht und ist ihm jetzt schon zwei Jahre voraus.»
    Die Gnädige bekam einen Weinkrampf, und die beiden Mädchen blickten vorwurfsvoll auf den Vater. Zum Teufel, es war wirklich nicht notwendig gewesen, so etwas zu sagen. Die Sache hatte aber dem Vater seit langem im Magen gelegen, und einmal mußte er es heraussagen.

    Gigino kam um sechs Uhr nachmittags mit dem Postauto an. Er schlenderte ein wenig im Dorf umher, und es wurde bald Abend. Es fing leicht zu regnen an, und der Bub suchte Schutz unter den Laubengängen unten am Hauptplatz. Er betrachtete die Auslagen der wenigen Geschäfte. In der Tasche hatte er noch zweihundert Lire, und er wäre gerne ins Kaffeehaus gegangen, ein Glas Milch zu trinken, brachte aber nicht den Mut dazu auf.
    Er überquerte den Platz und suchte in der Kirche Zuflucht. Dort setzte er sich in die dunkelste Ecke. Als gegen zehn Uhr Don Camillo dem Christus am Hochaltar «Gute Nacht» zu sagen kam, fand er Gigino auf einer Bank schlafend vor.
    Der Bub wurde durch Don Camillos lauten Anruf jäh aus dem Schlaf gerissen.
    Als er diesen schwarzen Riesen vor sich erblickte, der im Halbdunkel der Kirche noch größer wirkte, riß er die Augen auf.
    «Was machst du hier?» fragte Don Camillo.
    «Entschuldigen Sie, mein Herr», stotterte der Bub, «ich bin eingeschlafen, ohne es zu wollen.»
    «Was heißt Herr!» murmelte Don Camillo. «Siehst du nicht, daß ich Priester bin?»
    «Entschuldigen Sie, Hochwürden», flüsterte der Bub, «ich verschwinde sofort.»
    Don Camillo sah diese großen, tränenerfüllten Augen und faßte Gigino, der schon zur Tür wollte, an der Schulter.
    «Wohin gehst du?» fragte er.
    «Ich weiß nicht», antwortete Gigino.
    Don Camillo schob den Buben aus dem Dunkel vor den Hochaltar, wo Licht war, und betrachtete ihn aufmerksam.
    «Oh, ein junger Herr», sagte er schließlich.

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