Don Camillo und seine Herde
von den Nebeln des Mittelalters beschatteten Gemüter ist ein den Fortschritt hemmendes Element.» Peppone rührte sich um keinen Millimeter. Don Camillo fuhr fort, mit seinem Taschentuch zu fächeln, und beschränkte seine Reaktion angesichts dieser Herausforderung darauf, Smilzo aus den Augenwinkeln anzuschauen. Smilzo setzte sich auf den Boden, lehnte sich an die Wand und sagte nichts mehr.
Es vergingen einige Minuten. Nun kam Straziami mit der Jacke auf einer Schulter und rückwärts geschobenem Hut. Als er die Lage wahrnahm, lehnte er sich an den Türstock und betrachtete interessiert die Gegend.
Nach einigen weiteren Minuten kam Lungo. Ohne ein Wort zu sagen, schob er mit seinen Pratzen das Werkzeug von der Bank und setzte sich.
So vergingen zehn Minuten, und der einzige von den fünf Männern, der ein Lebenszeichen von sich gab, war Don Camillo, der noch immer mit dem Taschentuch fächelte.
Mit einemmal zerknüllte Peppone die Zeitung und schmiß sie auf den Boden. «Verfluchte Welt!» schrie er mit wütender Stimme. «Hat denn niemand etwas zum Rauchen?»
Keiner rührte sich, und Don Camillo fächelte weiter.
«Auch Sie nicht?» sagte Peppone boshaft zu Don Camillo. «Seit heute früh habe ich nichts mehr geraucht!»
«Seit zwei Tagen habe ich nicht einmal Tabak gerochen», murmelte Don Camillo. «Ich hoffte, du hättest etwas.»
Peppone stieß eine leere Kiste mit einem Fußtritt fort.
«Habt ihr es nicht gewollt?» brüllte er. «Da haben Sie jetzt Ihren de Gasperi!»
«Wenn du, anstatt Zeitung zu lesen, arbeiten würdest, dann hättest du auch Geld zum Rauchen!» erwiderte ruhig Don Camillo.
Da schmiß Peppone seinen Hut auf den Boden und fing zu brüllen an.
«Arbeiten! Arbeiten! Was soll ich denn, zum Teufel, tun, wenn kein Mensch seine Nase in die Werkstatt steckt? Was soll ich tun, wenn diese Schweine sich lieber das Hirn von der Sonne braten lassen und mit der Sichel Gras schneiden, als ihre Mähmaschine bei mir reparieren zu lassen? Was soll ich arbeiten, wenn mein Lastwagen seit zwei Wochen steht, weil niemand mehr einen Transport braucht? Können Sie mir sagen, wo ich mit dem Schädel anrennen soll, um weiterzukommen?»
«Verstaatliche deinen Betrieb», antwortete ruhig Don Camillo, und Peppone brüllte wie ein Stier.
Smilzo erhob einen Finger.
«Der Marshallplan», sagte er bedeutungsvoll, «ist das Opium der Völker. Das Proletariat braucht soziale Reformen und keine leeren Versprechungen.»
Peppone stellte sich breitbeinig vor Don Camillo.
«Hören Sie doch endlich auf, mit diesem verfluchten Taschentuch zu fächeln!» brüllte er. «Sagen Sie mir lieber, was hat bis jetzt Ihre verdammte Regierung gemacht?»
«Ich weiß es nicht», antwortete ruhig Don Camillo. «Für Zeitungen habe ich in meinem Budget nichts mehr übrig. Seit einem Monat lese ich nur mehr das Meßbuch.»
Peppone zuckte mit den Achseln.
«Ja, das paßt Ihnen, nicht zu wissen, was geschieht!» brüllte er. «Tatsache ist, daß ihr alle das Volk euren schmutzigen Interessen zuliebe verraten habt!»
Don Camillo unterbrach das Fächeln.
«Ich?» sagte er ergeben.
Peppone kratzte sich am Kopf, setzte sich in seine Ecke und barg das Gesicht in den Händen. Schwer lastete das Schweigen in der halbdunklen Werkstatt. So verging einige Zeit.
«Und wenn ich nur denke, daß es jenseits des Flusses Leute gibt, die arbeiten könnten und lieber streiken», rief auf einmal Don Camillo. «In einem solchen Augenblick ist das ein Verbrechen!»
Peppone schaute auf.
«Der Streik ist die einzige Waffe, die der Arbeiter noch besitzt!» brüllte er. «Wollen Sie uns auch diese nehmen? Uns alles nehmen? Warum haben wir dann überhaupt gekämpft und unsere Haut riskiert?»
«Um den Krieg leichter zu verlieren», antwortete Don Camillo.
Nun begann eine lange Diskussion über das Thema, wer den Krieg zu bezahlen habe. Und dann wurden sie sich einig, daß etwas geschehen müsse... Nachdem sie etwa zwanzig Benzinkanister umgedreht hatten, gelang es ihnen, das Motorrad zu tanken, und Smilzo und Lungo konnten losfahren, während Don Camillo nach Hause zurückkehrte.
Um Mitternacht glitt ein Boot still über den Fluß. Darin waren fünf Männer in blauen Arbeitsanzügen und mit von Schmieröl schwarzen Gesichtern; sie schauten wie Mechaniker oder etwas Ähnliches aus, und drei unter ihnen waren von einer ganz und gar unchristlichen Größe, mit so breiten Schultern. Auf dem jenseitigen Ufer gingen sie an Land und begaben sich
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