Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens
es mit dem ersten gemacht hast?«
»Nein, jeder Teil ist verschieden.«
»Was für besondere Wirkungen hat jeder Teil?«
»Ich sagte schon, daß jeder eine andere Form der Macht lehrt. Was du in der Nacht genommen hast, ist gar nichts. Das kann jeder tun. Aber nur der brujo kann die geheimeren Teile einnehmen. Ich kann dir nicht sagen, was sie bewirken, weil ich nicht weiß, ob sie dich nehmen wird. Wir müssen warten.«
»Wann wirst du es mir dann sagen?«
»Sobald deine Pflanze gewachsen ist und Samen trägt.«
»Wenn jeder den ersten Teil nehmen kann, wozu wird er dann gebraucht?«
»In verdünntem Zustand ist er für alle Dinge der Männlichkeit, für alte Leute, die ihre Energie verloren haben, oder für junge Leute, die Abenteuer suchen, oder sogar für Frauen, die sich nach Leidenschaft sehnen.«
»Du hast gesagt, die Wurzel wird nur zur Macht gebraucht, aber ich sehe, daß sie außer für die Macht auch für andere Dinge gebraucht wird. Hab ich recht?«
Er sah mich lange mit starrem Blick an, der mich verlegen machte. Ich merkte, daß meine Frage ihn zornig machte, aber ich verstand nicht warum.
»Das Kraut wird nur zur Macht gebraucht«, sagte er schließlich trocken und ernst.
»Der Mann, der seine Energie auffrischen will, die jungen Leute, die Müdigkeit und Hunger ertragen wollen, der Mann, der einen anderen Mann töten will, eine Frau, die Leidenschaft sucht - sie alle suchen Macht. Und das Kraut wird sie ihnen geben! Glaubst du, du magst sie?« fragte er nach einer Pause. »Ich empfinde eine seltsame Kraft«, sagte ich, und das stimmte. Ich halle sie beim Erwachen gespürt und sehr stark empfunden. Es war eine sehr merkwürdige Empfindung von Unbehagen oder Frustration; mein ganzer Körper bewegte sich und streckte sich mit ungewöhnlicher Leichtigkeit und Kraft. Meine Arme und Beine juckten. Meine Schultern schienen sich auszudehnen; meine Rücken- und Nackenmuskeln gaben mir ein Gefühl, als müßte ich gegen Bäume anrennen. Ich glaubte, ich könnte gegen eine Wand stoßen und sie einreißen.
Wir sprachen nicht mehr. Eine Weile saßen wir auf der Veranda. Ich bemerkte, daß Don Juan einschlief; er nickte einige Male ein, dann streckte er einfach die Beine von sich, legte sich auf den Boden mit den Händen unter dem Kopf und schlief ein. Ich stand auf und ging hinter das Haus, wo ich meine überschüssige Kraft beim Aufräumen der Trümmer verbrauchte; ich erinnerte mich, daß er mich gebeten hatte, ihm beim Aufräumen hinter dem Haus zu helfen.
Später, als er aufwachte und nach hinten kam, war ich viel entspannter. Wir setzten uns, um zu essen, und während des Essens fragte er mich dreimal, wie ich mich fühlte. Weil er das selten tat, fragte ich schließlich: »Warum machst du dir Gedanken darüber, wie es mir geht, Don Juan? Erwartest du, daß das Trinken des Saftes eine schlechte Wirkung haben könnte?«
Er lachte. Ich fand, er verhielt sich wie ein Lausbub, der etwas angestellt hat und von Zeit zu Zeit herauszubekommen sucht, was daraus geworden ist. Immer noch lachend sagte er: »Du siehst nicht krank aus. Vor einer Weile warst du sogar heftig zu mir.«
»Das stimmt nicht, Don Juan«, widersprach ich. »Ich erinnere mich nicht, je heftig mit dir geredet zu haben.« Ich meinte es ernst, weil ich mich nicht erinnerte, daß ich michje über ihn geärgert hatte;.
»Du hast sieja verteidigt«, sagte er. »Wen verteidigt?«
»Du hast die yerba verteidigt. Du hast dich schon wie ein Liebhaber angehört.«
Ich wollte noch heftiger widersprechen, aber ich hielt mich zurück.
»Ich habe wirklich nicht gemerkt, daß ich sie verteidigt habe.«
»Natürlich hast du das nicht. Du erinnerst dich ja nicht mal, was du gesagt hast, oder?«
»Ich muß gestehen, daß ich keine Ahnung habe.«
»Siehst du, so ist die yerba del diablo. Sie überfällt dich heimlich wie eine Frau. Du merkst es nicht einmal. Dir geht es nur darum, daß sie dir ein angenehmes und starkes Gefühl gibt: die Muskeln schwellen vor Kraft, die Fäuste zucken, die Fußsohlen brennen darauf, jemanden umzurennen. Wenn ein Mann sie kennt, wird er voll sehnsüchtigen Verlangens. Mein Wohltäter sagte oft, daß die yerba Männer hält, die Macht wollen, und jene abweist, die nicht mit ihr umgehen können. Aber damals war Macht viel häufiger; es wurde gieriger nach ihr verlangt. Mein Wohltäter war ein mächtiger Mann, und nach dem, was er mir erzählt hat, war sein Wohltäter wiederum noch leidenschaftlicher hinter der Macht
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