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Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens

Titel: Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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her. Aber in jenen Tagen gab es gute Gründe, mächtig zu sein.«
    »Glaubst du, daß die Macht heute sinnlos ist?«
    »Jetzt ist Macht für dich gut Du bist jung. Du bist kein Indianer - . Vielleicht wäre das Teufelskraut bei dir in guten Händen. Dir geheim es gefallen zu haben. Es hat dich stark gemacht. Ich habe das selbst empfunden. Und doch hat es mir nicht gefallen.«
»Kannst du mir sagen warum, Don Juan?«
»Mir gefällt ihre Macht nicht! Sie ist unbrauchbar geworden. In anderen Zeiten, Zeiten wie jenen, von denen mir mein Wohltäter erzählt hat, gab es Gründe, die Macht zu suchen. Die Menschen vollbrachten erstaunliche Taten, wurden wegen ihrer Stärke bewundert und wegen ihres Wissens gefürchtet und geachtet. Mein Wohltäter erzählte mir Geschichten von wirklich erstaunlichen Taten, die vor langer, langer Zeit vollbracht «wurden. Aber heute suchen wir Indianer diese Macht nicht länger. Heute benutzen die Indianer das Kraut, um sich einzureiben. Sie gebrauchen die Blätter und Blüten zu anderen Zwecken; sie sagen sogar, daß es ihre Geschwüre heilt. Aber sie suchen nicht seine Macht, die wie ein Magnet wirkt, die um so stärker und gefährlicher ist, je tiefer die Wurzel in den Boden reicht. Wenn man vier Meter tief hinunterstößt, und das sollen einige Leute getan haben, findet man den Ort ständiger Macht - endloser Macht. Sehr wenige Menschen haben das in der Vergangenheit getan, aber niemand hat es heute getan. Ich sage dir, die Macht des Teufelskrauts wird nicht länger von uns Indianern gebraucht. Ich glaube, wir haben nach und nach das Interesse verloren, und heute bedeutet Macht nichts mehr. Ich selbst suche sie nicht, und doch gab es eine Zeit, als ich in deinem Alter war, da sehnte auch ich mich nach ihr-. Ich fühlte mich so, wie du dich heute fühlst, nur fünfhundertmal stärker - . Ich tötete einen Mann mit einem einzigen Schlag meines Armes. Ich konnte Felsen umwerfen, riesige Felsen, die keine zwanzig Männer bewegt hätten. Einmal sprang ich so hoch, daß ich die oberen Blätter der höchsten Bäume abschlug Aber es war alles vergeblich! Ich erschreckte damit nur die Indianer - . Die anderen, die nichts darüber wußten, glaubten es nicht. Sie sahen entweder einen verrückten Indianer oder irgend etwas, das sich in den Baumwipfeln bewegte.«
    Wir waren lange Zeit still. Es drängte mich, etwas zu sagen.
    »Es war anders«, fuhr er fort, »als es Leute in der Welt gab, Leute, die wußten, daß ein Mann ein Puma werden konnte oder ein Vogel, oder daß ein Mann einfach fliegen konnte Ich brauche das Teufelskraut nicht mehr. Wozu auch? Um die Indianer zu erschrecken? (Para que? Para asustar a los indios?)« Und ich sah ihn traurig, und ein tiefes Mitgefühl ergriff mich. Ich wollte etwas zu ihm sagen, einfach nur irgend etwas sagen.
    »Vielleicht ist dies das Schicksal aller Männer, die Wissen suchen, Don Juan.«
»Vielleicht«, sagte er leise.

Donnerstag, 23. November 1961
    Ich konnte Don Juan nicht auf der Veranda sehen, als ich ankam. Es kam mir merkwürdig vor. Ich rief laut nach ihm, und seine Schwiegertochter kam aus dem Haus. »Er ist drinnen«, sagte sie.
    Ich erfuhr, daß er sich vor einigen Wochen den Knöchel verstaucht hatte. Er hatte sich seinen eigenen, starren Verband aus Stoffresten gemacht, die er in einen Brei aus Kaktus und Knochenmehl getaucht hatte. Der Streifen, eng um seinen Knöchel gewickelt, war zu einem leichten, schön geformten Verband getrocknet. Er hatte die Härte von Gips, war aber nicht so klobig wie ein Gipsverband.
    »Wie ist es passiert?« fragte ich.'
    Seine Schwiegertochter, eine Mexikanerin aus Yukatan, die ihn pflegte, antwortete mir.
    »Es war ein Unfall! Er fiel und hat sich fast den Fuß gebrochen!« Don Juan lachte und antwortete erst, als die Frau aus dem Haus war.
    »Unfall, mein Gott! Ich habe einen Feind in der Nähe.. Eine Frau: >La Catalina!< Sie stieß mich in einem Augenblick der Schwäche, und ich fiel.«
»Warum hat sie das getan?«
»Sie wollte mich umbringen, darum.«
»War sie hier bei dir?«
»Ja!«
    »Warum hast du sie reingelassen?«:
    »Ich habe sie nicht reingelassen Sie ist reingeflogen«
»Wie bitte?«
    »Sie ist eine Amsel (chanate) und kann das gut. Sie überraschte mich. Sie versucht schon lange, mich fertigzumachen. Diesmal war sie nah dran.«
    »Hast du gesagt, sie ist eine Amsel? Ich meine, ist sie ein Vogel?«
    »Da bist du schon wieder mit deinen Fragen. Sie ist eine Amsel! Genauso bin ich eine Krähe. Bin ich

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