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Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens

Titel: Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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selbst.

Mittwoch, 20. Januar 1965
    Don Juan sprach nicht über mein Erlebnis und bat mich auch nicht, es ihm zu erzählen. Er bemerkte nur, daß ich zu früh eingeschlafen war.. »Man muß ein Vogel oder eine Grille oder etwas Ähnliches werden, das ist der einzige Weg wachzubleiben«, sagte er. »Wie machst du das, Don Juan?«
    »Das ist, was ich dich lehre. Erinnerst du dich, was ich dir gesag t habe, als du ohne deinen Körper warst?«
    »Ich kann mich nicht klar erinnern«
    »Ich bin eine Krähe. Ich zeige dir, wie du eine Krähe wirst. Wenn du das lernst, wirst du wach bleiben, und du wirst dich frei bewegen, sonst wirst du ständig am Boden kleben, wo immer du fällst.«

Sonntag, 7. Februar 1965
    Mein zweiter Versuch mit dem Rauch fand ungefähr mittags, am Sonntag, dem 31. Januar, statt. Ich wachte am frühen Abend des folgenden Tages auf- Ich hatte das Gefühl, ungewöhnliche Kraft zu besitzen, mich an alles zu erinnern, was Don Juan mir während des Erlebnisses gesagt hatte. Seine Worte waren in  meinen Verstand eingeprägt- Ich hörte sie immer noch mit außerordentlicher Klarheit und Beharrlichkeit. Während dieses Versuchs war mir eine andere Tatsache klargeworden: mein ganzer Körper war bald gefühllos geworden, nachdem ich das feine Pulver geschluckt hatte, das jedesmal, wenn ich an der Pfeife zog, in meinen Mund drang. So inhalierte ich nicht nur den Rauch, sondern nahm auch von der Mixtur zu mir-. Ich versuchte, Don Juan mein Erlebnis zu erzählen; er sagte, ich hätte nichts Wichtiges getan. Ich erwähnte, daß ich mich an alles, was passiert war, erinnern könne, aber er wollte nichts davon hören. Jede Erinnerung war genau und unmißverständlich. Die Rauchmixtur war genau dieselbe wie im vorangegangenen Versuch. Es war beinahe, als könnte man die beiden Erlebnisse zusammenfügen, und meine Erinnerung könnte dort einsetzen, wc das erste Erlebnis aufhörte. Ich erinnere mich genau, daß ich von dem Zeitpunkt an, als ich seitlich zu Boden fiel, chne jedes Gefühl und chne jeden Gedanken war. Und doch war meine Klarheit in keiner Weise beeinträchtigt. Ich erinnere mich, meinen letzten Gedanken ungefähr in dem Augenblick gefaßt zu haben, als der Raum zu einer senkrechten Fläche wurde: »Ich muß mit dem Kcpf auf den Boden gestoßen sein, und dcch empfinde ich keinen Schmerz.«
    von da an kcnnte ich nur sehen und hören. Ich kcnnte jedes Wort wiederholen, das Don Juan gesagt hatte. Ich fclgte jeder seiner Anweisungen. Sie schienen klar, logisch und einfach. Er sagte, daß mein Körper verschwand und daß nur mein Kcpf übrigbleiben würde, und um in einer derartigen Lage wachzubleiben und mich bewegen zu können, müßte ich eine Krähe werden. Ich mußte mich anstrengen und blinzeln, und er fügte hinzu, daß ich dann, wenn ich es fertig brächte, zu blinzeln, weitermachen könnte. Dann sagte er, daß mein Körper völlig verschwunden war und daß ich nur meinen Kcpf hatte; er sagte, der Kcpf verschwindet nie, weil es der Kcpf ist, der zur Krähe wird. Ich sollte blinzeln. Er muß diese und all seine anderen Aufforderungen unzählige Male wiederholt haben, weil ich mich an sie alle mit außergewöhnlicher Klarheit erinnern kcnnte. Ich muß geblinzelt haben, denn er sagte, ich sei jetzt bereit. Er forderte mich auf, den Kcpf aufzurichten und ihn auf mein Kinn zu legen. Er sagte, daß im Kinn die Krähenbeine seien. Ich mußte die Beine fühlen und beobachten, wie sie langsam herauskamen. Dann sagte er, daß ich noch nicht vollständig sei, daß ich mir einen Schwanz wachsen lassen mußte und daß der Schwanz aus meinem Hals kommen würde. Er forderte mich auf, den Schwanz wie einen Fächer auszubreiten und zu fühlen, wie er über den Boden glitt
    Dann sprach er über die Flügel der Krähe und sagte, sie würden aus mein^ Backenknochen kommen. Er sagte, es würde anstrengend und schmerzhaft sein. Er forderte mich auf, sie auszubreiten. Er sagte, sie müßten außerordentlich lang sein, so lang wie ich sie strecken konnte, sonst würde ich nicht fliegen körnen. Er sagte mir, die Fügel kämen heraus und wären lang und sehr schön und daß ich sie schlagen müßte, bis sie zu wirklichen Flügeln würden.
    Dann sprach er über meinen Schädel und sagte, er sei noch sehr groß und schwer, und seine Masse würde mich am Fliegen hindern. Er sagte mir, daß ich seine Masse durch Blinzeln verringern könne; mit jedem Blinzeln würde mein Kopf kleiner werden. Er foderte mich auf zu blinzeln, bis die

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