Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten
und Nestor ein paar kurze Anweisungen. Ich verstand nicht, was er sagte. Ich spähte schnell zu ihnen hinüber und sah, daß beide einen Stein in der Hand hielten, den sie sich gegen den Nabel preßten. Ich überlegte, ob auch ich dies tun sollte, aber da sagte er mir, daß diese Vorsichtsmaßnahme zwar nicht für mich gelte, daß ich aber trotzdem einen Stein in Reichweite halten solle für den Fall, daß mir übel würde. Don Genaro hob den Kopf, um mir zu sagen, ich solle Don Juan anschauen, und dann sagte er etwas Unverständliches; er wiederholte es, und obgleich ich seine Worte nicht verstand, wußte ich, daß es mehr oder minder die gleiche Formel war. die Don Juan vorhin gesagt hatte. Mit den Wörtern hatte dies eigentlich nichts zu tun; vielmehr schloß ich es aus dem Rhythmus, dem abgehackten Tonfall, dem Beinahe-Husten. In welcher Sprache Don Genaro auch reden mochte, ich war überzeugt, daß sie besser als das Spanische zu dem Stakkato dieses eigenartigen Rhythmus paßte.
Don Juan tat anfangs genau dasselbe, was Don Genaro vorhin getan hatte, aber dann, statt hinaufzuspringen, wirbelte er herum wie ein Turner am Reck. Halb bewußt erwartete ich, er würde wieder auf den Füßen landen. Das tat er aber nicht. Sein Körper wirbelte immer weiter, ein paar Meter über dem Boden. Zuerst kreiselte er ganz schnell, dann immer langsamer. Soviel ich sehen konnte, hing Don Juans Körper, genau wie vorhin Don Genaro, an irgendwelchen Lichtfäden. Jetzt kreiselte er ganz langsam, als wollte er uns Gelegenheit geben, ihn ganz deutlich zu sehen. Dann schwebte er nach oben; er stieg immer höher, bis er den Grat der Klippe erreicht hatte. Don Juan schwebte tatsächlich, als ob er kein Gewicht hätte. Seine Drehungen waren sehr langsam und erinnerten an die Bilder von Astronauten, die sich im Weltraum schwerelos um ihre eigene Achse drehen.
Vom Hinschauen schwindelte mir. Es war ganz so, als habe meine einsetzende Übelkeit ihn angespornt, und er wirbelte jetzt immer schneller. Er entfernte sich von der Klippe, und als er nun immer schneller wurde, wurde mir vollends übel. Ich packte den Stein und drückte ihn mir gegen den Bauch. Ich preßte, so fest ich konnte. Die Berührung half mir ein wenig. Der Griff nach dem Stein und das Anpressen hatten mir eine kurze Unterbrechung verschafft. Obwohl ich die Augen nicht von Don Juan abgewandt hatte, war meine Konzentration doch zusammengebrochen. Bevor ich nach dem Stein griff, hatte ich den Eindruck gehabt, daß das Tempo, mit dem sein schwebender Körper sich inzwischen drehte, seine Gestalt verwischte; er sah aus wie ein rotierender Diskus und dann wie ein wirbelndes Licht. Nachdem ich den Stein gegen meinen Leib gepreßt hatte, nahm seine Geschwindigkeit ab; er sah aus wie ein in der Luft schwebender Hut, wie ein auf- und abtrudelnder Papierdrachen. Die Drachenbewegungen waren noch peinigender. Mir wurde unsäglich übel. Ich hörte das Klatschen von Vogelschwingen und nach einer Weile der Ungewißheit wußte ich, daß der Vorgang zu Ende war. Mir war so schlecht, und ich war so erschöpft, daß ich mich zum Schlafen hinlegte. Wahrscheinlich war ich eine Weile eingenickt. Ich öffnete die Augen, als jemand meinen Arm schüttelte. Es war Pablito. Er sprach mit gehetzter Stimme und sagte, ich dürfe nicht einschlafen, denn wenn ich es täte, würden wir alle sterben. Er bestand darauf, wir müßten sofort von hier weg. selbst wenn wir uns auf allen vieren fortschleppen müßten. Auch er schien körperlich erschöpft zu sein. Eigentlich hatte ich geglaubt, daß wir hier die Nacht verbringen würden. Die Aussicht, in der Dunkelheit bis zum Auto zu laufen, schreckte mich sehr. Ich versuchte Pablito umzustimmen, doch der benahm sich immer panischer. Nestor war es so übel, daß ihm alles gleich war. Pablito setzte sich in völliger Verzweiflung auf den Boden. Ich strengte mich an, meine Gedanken zu ordnen. Inzwischen war es ziemlich dunkel, obwohl es noch hell genug war, um die Felsen um uns her zu erkennen. Die Stille war köstlich und wohltuend. Ich genoß den Augenblick sehr, aber plötzlich fuhr mein Körper hoch; ich hörte in der Ferne das Geräusch von knackenden Zweigen. Automatisch fuhr ich zu Pablito herum. Er schien zu wissen, was mit mir los war. Wir packten Nestor unter den Achseln und zerrten ihn buchstäblich hoch. Wir rannten und schleppten ihn mit. Er war anscheinend der einzige, der den Weg wußte. Von Zeit zu Zeit gab er uns knappe Anweisungen. Ich kümmerte
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